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Der Schattensucher (German Edition)

Der Schattensucher (German Edition)

Titel: Der Schattensucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Braun
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Stimmen und Träume los zu sein und sich wieder frei bewegen zu können.
    »Sag mal«, drang plötzlich eine furchtbar krächzende Stimme zu ihm, »war das wirklich dein Stein?«
    »Wer spricht da?«
    »Zwei Zellen weiter. Wann hast du den Stein bekommen?« Verwundert stand Levin auf und ging zum Gitter. »Ich habe ihn seit vielen Jahren. Wieso?«
    »Seit vielen Jahren. Kaum zu glauben ist das«, sagte der Mann und machte erst einmal eine Pause.

42. Kapitel
    Alsuna, Jahr 296 nach Stadtgründung
    Sie schauten sich die Sterne an. Zum Glück hatten sich die Wolken im Lauf des Tages verzogen. Alvin sog die Nachtluft tief in sich ein. Fantastisch war dieser Ort. Unter ihnen musste eine Küche sein, denn das Steindach war angenehm warm. Über ihnen war nichts als der Himmel. Eine Weile lagen sie nur auf dem Rücken und schwiegen. Zwischen ihnen flackerte eine Lampe.
    Alvin brach irgendwann das Schweigen und fragte den Jungen, woher er komme, warum er so lebe und wie es ihm dabei ergehe. Über eine Stunde redeten sie, philosophierten über die Sterne und die Menschen, schließlich wandte der Junge seinen Kopf zu ihm und sagte: »Ich glaube, ich habe noch nie einen Kerl wie dich erlebt. Was bist du? Ein Herumtreiber, ein Seelenhüter, ein versteckter Reicher?«
    »Vielleicht bin ich ja alles. Du solltest morgen wirklich mit zu meinen Freunden kommen. Ich habe das vorhin ernst gemeint.«
    »Ich weiß nicht recht. Sind das Leute wie du?«
    »Die sind alle ziemlich unterschiedlich. Aber du wirst sie mögen und sie dich.«
    »Mal sehen«, sagte der Junge. »Warum soll ich heute schon wissen, was ich morgen tue?«
    Alvin schüttelte verdutzt den Kopf. »Ich glaube, so einen Kerl wie dich habe ich auch noch nie erlebt.« Er rückte sich die Ledertasche zurecht und versuchte seinen Kopf bequem einzubetten. Der Junge schaute ihm aufmerksam zu.
    »Was hast du eigentlich alles in der Tasche?«
    »All meine Sachen. Wieso?«
    »Du passt heute ziemlich gut auf sie auf. Du hast sie noch kein einziges Mal aus den Händen gegeben.«
    »Ach. Ist das so?«
    »Hast du wieder so ein Blutfläschchen bei dir?«, fragte er neckisch.
    Alvin wehrte ab. »Diesmal nicht.«
    »Nein, ehrlich: Was hast du Wertvolles bei dir?«
    »Einen kostbaren Edelstein«, sagte Alvin in albernem Ton.
    »Wie praktisch. Den könntest du morgen verkaufen, dann würden wir reich werden und du hättest immer frei.«
    »Gute Idee, mein Freund. Dann lass uns schnell einen Händler suchen.« Er lachte und zog sich die Decke zurecht.
    »Ja, das sollten wir machen«, sagte der Junge und starrte in die Lampe. Alvin betrachtete seinen neuen Freund. Wie erwachsen sein Körperbau, seine Gesichtszüge und seine Haut schon wirkten, auch seine Bewegungen. Doch in seinen Augen sah er, dass in ihm ein kindlicher, fast rückständiger Kern steckte. Sie waren voller Trotz und dabei suchten sie nach jemandem, der diesem Trotz widerstehen und ihm Halt geben konnte. Es würde viel Zeit und Mühe kosten, ihn zu bändigen. Aber es war nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn keiner es tat. Morgen musste er endlich einmal nach seinem Namen fragen.
    Er blies die Kerze aus und wünschte ihm eine gute Nacht.
    Er wachte auf, als es schon gänzlich hell war und von der Straße der Lärm zu ihm heraufdrang. Gestern musste er wirklich sehr müde gewesen sein. Er gähnte und richtete sich auf. Sein Kopf hinterließ einen tiefen Abdruck auf der Tasche. Die Decke des Jungen rührte sich nicht. Erst als Alvin genau hinschaute, sah er, dass sie flach dalag. Instinktiv blickte er um sich, aber da war niemand mehr auf dem Dach. Neben der Lampe war mit Kohle etwas auf den Stein geschrieben: Gehe Frühstück besorgen .
    Alvin schüttelte den Kopf. Unverbesserlicher Schuft! Doch er konnte nicht verhehlen, dass sein Magen knurrte. Die Vorstellung von Maisbrei mit ein paar frischen Kräutern weckte ein Gefühl von Glückseligkeit in ihm. Es war, als habe der gestrige Tag nicht aufgehört.
    Er streckte sich und gähnte den letzten Schlaf hinaus. Dann genoss er die Aussicht über die Stadt. Was für ein großer Tag! Er würde sie alle wiedersehen. Zuerst würde er Thekla besuchen, dann die Freunde. Der Abschied würde ihm schwerfallen, schwerer als beim letzten Mal. Aber wie groß war das, was ihn danach erwartete! In all den Monaten war es in eine solche Ferne gerückt, dass es ihm fast unwirklich erschien.
    Seine Augen richteten sich auf die Festung am Horizont. Hinter einer dieser Mauern saß sie und

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