Der Schattensucher (German Edition)
einmal in eine Scherbe und stellte fest, dass das Wasser ihn zu beißen begann. Es war fast, als griff es mit Zähnen nach ihm. Das mussten die Flüssigkeiten aus den Behältern sein, aus denen man die Waffen erzeugt hatte. Wie ein böser Nebel hatten sie sich im Wasser über dem Boden verteilt.
Ihm blieb nichts anderes, als den Schmerz auszuhalten und weiterzutasten. Endlich fühlte er, was er gesucht hatte. Zuerst berührte er die Schulter, dann die Brust, in der noch immer der Pfeil steckte. Levin konnte nicht vermeiden, dass Gereons Gesicht in seiner Vorstellung auftauchte. Seine Arme waren ausgebreitet und er sagte: »Komm und bleibe. Hier bist du richtig.« Weil es so finster war, wirkte die Erscheinung umso realer. Für einen Moment lähmte sie ihn. Doch schnell kam er wieder zu sich. Er tastete an Gereons Arm entlang und gelangte zur Hand.
Du hast ihn nicht losgelassen, nicht wahr?
Er spürte etwas Hartes, Vertrautes in Gereons Hand. Noch immer hatten die Finger den Stein so fest im Griff, als wolle er ihn nicht herausgeben.
Dein letztes Beutestück. Du kannst es nicht behalten. Jetzt nehme ich es dir ab und dann lasse ich dich für immer zurück in deinem Reich.
Levin öffnete Gereons wehrlose Hand, raubte ihm den Stein und wandte sich sofort von ihm ab. Nein, er musste sich nicht verabschieden. Er würde nur zu Ende bringen, was ein anderer angefangen hatte.
Er tauchte wieder hinauf und ließ mit jedem Zug das Dunkel ein Stück weiter hinter sich. Für immer.
Sein Ritt nach Briangard schien ewig zu dauern. War er vorhin wirklich an all diesen Straßenecken vorbeigekommen? Die Stadt wollte und wollte nicht enden.
Ich komme bald, wartet auf mich. Es wird alles gut.
Er schoss durch das Festungstor, über den Hof, durchquerte das Tor zum Innenhof und stieg ab. Überall rissen sie ihm die Tür auf, wenn er herbeigerannt kam. Am Labor klopfte er nicht, sondern platzte hinein.
»Ich habe ihn!«
Thanos schaute vom Labortisch zu ihm auf und strahlte, als er den roten Stein erblickte. Er nahm ihn, hielt ihn ins Licht und nickte.
»Ja, so kenne ich meinen Alvin. Du wirst sehen.«
Die leere Schale über dem Feuer war so heiß, dass sie glühte. Ohne lange nachzudenken legte Thanos den Stein hinein. Levin beobachtete, wie der Stein in der Hitze allmählich anfing, seine Form zu verlieren.
»Ich habe die Aufzeichnungen zu Ende gelesen. Sie hören ganz plötzlich auf, einen Tag, nachdem es ihm sehr schlecht gegangen war. Den Symptomen nach zu urteilen hätte er höchstens noch einen Tag überlebt. Das bedeutet, Alvin hat mit dem Tod gekämpft. Er hat gesiegt, sonst hättest du ihm später nicht begegnen können. Weißt du noch, wie ich dir erklärt habe, was es braucht, um ein endgültiges Heilmittel gegen die Seuche herzustellen?«
»Du sprachst vom Blut eines Sterblichen, der die Krankheit besiegt hat.«
»Richtig. Dieses Blut ist sozusagen das überlegene Gegenstück zu dem aggressiven Pflanzensaft, der die Seuche verursacht. Es sorgt dafür, dass das Meskan im Serum Lebenskraft freisetzen kann. Wenn es in einen kranken Körper gelangt, wird die Wirkung des schädlichen Meskans rückgängig gemacht.«
Jetzt schmolz der Stein in sich zusammen und verflachte zu einer brodelnden Lache. Thanos griff nach einem Deckel mit einem Loch in der Mitte. Er setzte den Deckel auf die Schale und steckte ein bogenförmiges Glasrohr in das Loch. Das andere Ende des Rohrs tauchte er in eine gelbe Flüssigkeit.
»Verstehst du? Alvin war ein Sterblicher wie jeder andere, als er dem Tod ins Auge sah. Doch er glaubte an das Leben und dadurch überwand er die Seuche in seinem Körper. Sein Blut erhielt eine einzigartige Lebenskraft und die Unsterblichkeit begann in ihm zu wirken.«
»Alvin war unsterblich?«
»An seinem letzten Tag, ja. Er wäre nie gestorben, wenn er sich nicht hätte töten lassen.«
Levin schluckte. Thanos sah ihm offen ins Gesicht: »Hör auf, darüber zu grübeln! Er hat es aus eigenem Willen getan!« Als Levin in Thanos’ feurige Augen sah, verbot er sich jeden Gedanken, der ihm ein schlechtes Gewissen machen wollte.
»Was ist mit seinem Blut geschehen?«
»Nun, Alvin hatte wohl geplant, bald nach Briangard zurückzukehren und sich von mir das Blut abnehmen zu lassen, damit ich das Heilserum herstellen kann. Doch weil er sichergehen wollte, nahm er sich in der Nacht selbst noch ein Fläschchen Blut ab. Er ließ das Granulat schmelzen, mischte sein Blut hinein und formte daraus den Stein. Niemand
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