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Der Schattensucher (German Edition)

Der Schattensucher (German Edition)

Titel: Der Schattensucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Braun
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weiteres Mal biete ich euch an, euren Erbauer kennenzulernen und ganz auf seine Seite zu treten. Meine lieben Söhne und Töchter«, er wurde ruhig und sagte das Folgende so, als sagte er es zum ersten Mal: »Ich erwarte euch.«
    Die Ruhe, die sich über den Platz legte, war die gewohnte. Doch manche Gesichter, so glaubte Levin wahrzunehmen, zeigten mehr als die einstudierte Betroffenheit; sie zeigten eine Betroffenheit, die zu Taten drängte. Wären sie nicht auf allen Seiten dem starren Blick der Soldaten begegnet, wer weiß, ob nicht einer aus dem Publikum seine Stimme erhoben und wie Levin damals die Einladung des Grafen angenommen hätte.
    Mit Jubeln und Klatschen wurden sie verabschiedet und zogen Richtung Palast. Levin ging neben Thanos her. Aus seiner Sänfte heraus sagte Thanos: »Du hast eine schöne Frau. Warum begleitet sie dich nicht zum Bankett?«
    »Sie fühlt sich nicht ganz passend unter all den Männern.«
    »Sie scheut die Soldaten?«
    »Die Soldaten und, wie mir scheint, den ganzen Palast.«
    »Das wird sich beheben lassen. Ich würde gern die Frau kennenlernen, die dich zum Mann hat. Bitte bring sie im Lauf der nächsten Woche, wenn es etwas ruhiger zugeht, zum Essen mit.«
    »Sehr gern werde ich das tun.«
    Die Woche wurde alles andere als ruhig. Levin stellte fest, dass es den Wachen bei allen Gehorsamsschwüren schwerfiel, sich Levin unterzuordnen. Wo er Neuerungen in den Tagesablauf und ihre Aufgaben anbrachte, schienen sie wie mit Ketten an Normans Ordnungen gebunden. Sie sollten nur noch die Hälfte der Fackeln in der Eingangshalle anzünden und dafür lernen, den Schutz der Schatten zu nutzen. Doch offenbar brauchte es viele Ermahnungen, um ihnen das gemütliche Herumschlendern abzugewöhnen. Nur noch die strategisch wichtigsten Posten bekamen eine Armbrust. Die Besetzung für jede Schicht wurde verringert, dafür mussten sie zweimal die Woche im Innenhof ihre Runden drehen.
    Am schwersten taten sie sich mit Levins Anweisung, das Tor zum Innenhof tagsüber offen zu lassen. An einem Morgen kam er vorbei, sah, dass die beiden Wächter vor geschlossenem Tor standen und wetterte: »Was ist los! Kennt Ihr die Befehle nicht?«
    »Herr, die Außenwachen wollen das Tor geschlossen halten.«
    Levin stieg die Röte ins Gesicht. Seine Stimme wurde ungewohnt laut. »Wer gibt Euch die Befehle, die Außenwachen oder ich?!«
    »Ihr, mein Herr.«
    »Warum zögert Ihr dann noch?«
    Beschämt wandten sich die Wachen zum Tor und schoben es mit hastigen Bewegungen auf.
    »Na also«, sagte Levin und spazierte in den Vorhof. Als einer der Außenwächter ihn erblickte, ließ er seinen Einwand fallen, zu dem er eben angesetzt hatte.
    Aus der Ferne sah Levin Jason herbeikommen. Er wollte sich umdrehen, doch Jason war schon so nah, dass es nach Flucht ausgesehen hätte.
    »Darf ich fragen, was hier los ist?«, fragte Jason, noch ehe er bei Levin angekommen war.
    »Nun, Euch ist sicher bewusst, dass eine Tür zwei verschiedene Zustände haben kann. Ich habe mich für diesen entschieden.«
    Jason machte ein saures Gesicht. »Ich dachte immer, eine Tür wäre dazu da, das Dahinterliegende zu beschützen.«
    »Falsch. Sie ist dazu da, eine Mauer durchlässig zu machen.«
    »Ich bin mir nicht im Klaren, was Ihr vorhabt, Hauptmann.«
    »Betrachtet es als einen Beitrag, Briangard zu vereinen. Vielleicht werden sich die Brianer bald nicht mehr fühlen, als lebten sie in zwei Welten.«
    »Ich muss darauf bestehen«, versuchte es Jason wieder auf sachliche Weise, »dass das Tor geschlossen bleibt. Ich kann die Sicherheit des Grafen nur dann garantieren, wenn der Vorhof keine durchlässige Stelle hat.«
    »Wenn ich mich recht erinnere, Hauptmann, wurde mir die Aufgabe übertragen, für die Sicherheit des Erbauers zu sorgen. Also steht mir bitte dabei nicht im Weg.«
    »Wie Ihr meint«, sagte Jason, der seine Blicke nicht mehr kontrollieren konnte. Wären es Dolche gewesen, hätte Levin ihnen ausweichen müssen. »Lasst Euch nur eines sagen: Es gibt an diesem Ort Grundsätze, nach denen sich selbst der Erbauer richtet. Sein Sohn hätte sich damals auch besser an sie gehalten. Egal, welche Position Ihr habt, nichts berechtigt Euch dazu, diese Grundsätze zu übertreten, und nichts schützt Euch vor der Strafe.«
    »Wollt Ihr mir einen dieser Grundsätze nennen?«
    »Ich hüte mich davor, Euch zu belehren. Als Hauptmann der Palastwache solltet Ihr sie besser kennen als jeder andere.«
    »Dann könnt Ihr mich ja in aller Ruhe

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