Der Schatz der gläsernen Wächter (German Edition)
sie für uns. Sie sind faszinierende Geschöpfe. Das Gerät, mit dem ich das hier aufzeichne, gehörte ihren Schöpfern. Ich bin ihnen zutiefst verbunden, dass sie es mir überlassen haben. Es gibt kein Papier hier, weißt du?
Ich wünschte, wir hätten sie unter anderen Umständen entdeckt. Was wir alles von ihnen hätten lernen können ...
Aber auch ohne die Verletzungen würden wir diese Insel niemals verlassen. Sie erlauben es nicht. Sie haben Angst vor Menschen ... und ich kann es ihnen nicht einmal verübeln. Also sind wir unseren Häschern in Hestria entkommen, nur um in einem anderen Gefängnis zu landen. Komisch, wie das Leben manchmal spielt, nicht wahr? Unsere Expedition war so weit gekommen ... fast bis ans Ziel. Doch statt der einen Insel voller Wunder haben wir eine andere gefunden. Seltsam, wie bedeutungslos Dalahan geworden ist. Der Preis, den wir auf der Suche nach der Insel bezahlt haben, ist einfach zu hoch. Ich hätte Tamalea niemals verlassen dürfen. Und ich hoffe, dass du und Alrik mir vergebt, dass ich euch allein gelassen habe, nur für die Aussicht auf ein bisschen Ruhm und neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Aber Dalahan ... der Mythos ... scheint die Menschen blind zu machen.« Tränen rannen über Brias Wangen. Sie lächelte nicht länger.
»Mein Schatz, ich weiß nicht, ob dich das hier jemals erreichen wird. Ob man nach uns suchen wird. Ob Harander entkommen kann. Aber es ist kein Moment vergangen, in dem ich nicht an dich gedacht habe, Kriss. Kein Moment, in dem ich mir nicht gewünscht habe, bei dir zu sein. Es tut mir so unendlich leid, dass du nun auch deine Mutter verloren hast. Ich wäre gern da gewesen, um die Frau zu sehen, die du einmal sein wirst.
Aber ich weiß, dass Alrik sich um dich kümmern wird. Und ich weiß, dass du stark bist, dein Leben wird weitergehen. Vergiss mich nicht und ich bin immer bei dir.
Ich liebe dich.«
Das Abbild ihrer Mutter verging. Die Kristalllinsen des Memogrammprojektors erloschen.
Kriss hatte schon lange vorher zu weinen begonnen; sie hatte nicht bemerkt, dass sie nicht länger alleine war. Nun stand Lian neben ihr, blass und erschöpft; der Verband um seine Schultern zeigte kleine rote Flecken. Ohne ein Wort zu sagen, schloss er sie in die Arme und sie hielt ihn fest.
Der Weg nach Dalahan
»Es wird in deinem Körper bleiben, solange ich es will«, sagte die Baronin und schenkte sich Wein in einen Kristallkelch ein. Lian saß auf dem Stuhl vor ihr und funkelte sie an. Er wusste, dass sie die Wahrheit sagte. Er spürte das Ding in seinen Eingeweiden, wie einen winzigen Kiesel. Es tat nicht weh; nicht so sehr wie die Erkenntnis, was sie ihm angetan hatte. »Sei unbesorgt«, fuhr die Baronin fort. »Es hat keine Auswirkung auf deine Verdauung oder deine generelle Gesundheit. Dafür ist es zu klein. Ich will dir nicht weh tun, Lian, das musst du verstehen.« Sie sah ihn an. Ihr Gesicht war schön wie immer. Mitleid lag in ihren grünen Augen. »Das tust du doch, oder?«
Er erwiderte ihren Blick. Trotz aller Wut, die ihn verzehrte, blieb seine Miene ganz kühl, als er sagte: »Ich hasse Euch.«
»Ich weiß«, sagte sie bedauernd und strich ihm über das Haar. »Machen wir also das Beste daraus.«
Lian erwachte im Dunkel des Steinhauses. Rotes Mondlicht drang durch das zugewucherte Fenster und ließ ihn die Silhouetten der anderen ausmachen, die hier mit ihm untergebracht waren. Er erkannte Lorgis, der zusammengekauert auf Stroh neben Barabells üppigen Leib schlief. Irgendwo schnarchte jemand leise: Grimald. Ein Mann, dessen Stimme er nicht erkannte, wimmerte im Schlaf und für einen Moment fühlte sich Lian in den Schlafsaal des Waisenhauses zurückversetzt, bis er von draußen die Schritte von wurzelgleichen Füßen auf der Erde vernahm, begleitet von den nächtlichen Rufen des Dschungels.
Die Erinnerung an die Baronin spülte neuen Hass durch seine Adern. Er schüttelte den Kopf, um ihr schrecklich-schönes Gesicht zu vertreiben, doch alles, was er damit bewirkte, war Schmerz, der an seiner linken Schulter aufloderte.
Mit zusammengebissenen Zähnen betastete Lian seinen Verband und versuchte im trüben Licht auszumachen, ob sich die roten Flecken auf dem Stoff ausgebreitet hatten. Nein, hatten sie nicht. Aber es tat immer noch schessk verdammt weh und als er auf die Strohmatte zurücksank, spürte er die Wunde klopfen und pulsieren. Auf einmal schien das Gefängnis um ihn herum enger und enger zu werden, bis es ihm fast den
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