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Der Schatz der gläsernen Wächter (German Edition)

Der Schatz der gläsernen Wächter (German Edition)

Titel: Der Schatz der gläsernen Wächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dane Rahlmeyer
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sehr lange. Stirbt einer von uns ... vor seiner Zeit ... durch Gewalt ... ist es ein besonders großer Schock.«
    Kriss dachte an den Speerträger bei ihrer ersten Begegnung mit den Riesen im Wald, der nach dem Schuss aus Grimalds Waffe wieder aufgestanden war. Sie fragte sich, welche Grausamkeiten man diesen Wesen antun musste, um sie zu töten. Aber sie wollte die Antwort nicht wissen.
    Lian betastete seinen Verband unter dem Hemd und forderte damit neuen Schmerz heraus. »Was is’ mit ihnen passiert? Mit den Mördern, mein’ ich?«
    Orrm sah ihn an. Er schien bekümmert. »Wir mussten ... sie töten.«
    Lians Augen wurden groß.
    »Unsere Leute haben auch Angst«, erklärte Kriss dem uralten Geschöpf. »Sie haben Wesen wie euch noch nie getroffen. Und Menschen fürchten, was sie nicht verstehen.«
    »Und sie töten ... was sie fürchten. Sag mir ... fürchtet ihr euch voreinander? Führt ihr deshalb ... all die Kriege?«
    »Ich glaube, ja«, gestand sie.
    »Und hast du ... Angst vor uns?«
    »Nein«, sagte sie, selbst von der Antwort überrascht.
    »Wie seid ihr überhaupt hierher gekommen?«, fragte Lian. »Oder seid ihr hier ... gewachsen?«
    »So ... ist es«, wisperte Orrm.
    Und so berichtete er ihnen, wie vor über dreitausend Jahren, während der Ælonischen Epoche, eine Gruppe von Forschern aus ihrer Heimat in Ulgrai geflohen war. Man hatte sie als Ketzer gebrandmarkt. Sie selbst dagegen betrachteten sich als einfache Wissenschaftler. Sie erforschten den Einfluss von Ælon auf Lebewesen. Sie waren besessen davon, Leben nach ihren Vorstellungen zu formen – wirkliche Lebewesen zu erschaffen, keine mechanische Imitationen, wie Umi eine gewesen war.
    Um in Ruhe ihren Forschungen nachzugehen, zogen sie sich auf diese Insel im Nirgendwo zurück und errichteten hier das Dorf aus Stein (die Maschine, die die schweren Steinklötze bewegt hatte, war mit dem Versiegen des Ælon in ihre Bestandteile zerfallen). Im Dschungel fanden sie Nahrung und Wasser und so verbrachten sie Jahrzehnte in ihrem selbstgewählten Exil und versuchten, die Samen von Tieren und Pflanzen zu kreuzen und zu beeinflussen. Kriss erschauderte, als Orrm ihr von den Tausenden von missgestalteten Wesen berichtete, die sie dabei erschufen – doch die wenigsten dieser Kreaturen waren lebensfähig.
    Dann führte eine Formel zu ihrem Durchbruch.
    »Wai erblickte das Licht der Welt; Wai ... der Erstgeborene. Er war damals ... nur ein Keimling. Aber ... er konnte sehen. Und hören. Fühlen. Die Schöpfer nannten ihn ... ihr ›Kind‹, sie gaben ihm ... Sonnenlicht und gute Erde. Lehrten ihn sprechen. Die Formel, die Wai erschaffen hatte ... gebar weitere unserer Vorfahren und sie ... lebten gemeinsam mit den Schöpfern ... in Frieden.«
    Kriss versuchte sich vorzustellen, welche geistige Disziplin man brauchte, sich die dafür nötigen ælonischen Energien zu unterwerfen; welchen Willen . »Orrm, wie alt bist du?«
    »Dies ist das fünfhundert ... unddreiundzwanzigste Jahr meines Lebens.«
    Schwindel überkam Kriss. Das Wesen neben ihr war älter als das Königreich Miloria!
    »Die Schöpfer«, sagte Lian. »Was is’ aus ihnen geworden?«
    »Sie liegen ... dort begraben.« Orrm zeigt auf ein fensterloses Haus, das mit Blütenkränzen geschmückt war. Vier Kinder der Erde saßen dort auf ihren Knien, die Hände in den Boden gegraben, ohne sich zu rühren. Beteten sie? »Was ist passiert?«, fragte Kriss.
    »Zeit«, antwortete Orrm. Eine warme Abendbrise brachte das Herbstlaub auf seinem Kopf und den Schultern in Bewegung. »Sie wurden alt ... und sie starben.«
    »Hatten sie keine Kinder?«
    »Nein. Es waren ... ausschließlich Männer.«
    Typisch , dachte Kriss.
    Lian massierte die Narbe an seiner Oberlippe. »Warum sind sie nie nach Hause zurückgekehrt? Sie hätten doch dort mit euch angeben könn’?«
    »Sie hatten ... sich selbst bewiesen, dass sie Recht hatten. Und das ... genügte ihnen. Aber sie haben uns ... von der Welt dort draußen erzählt. Von den Kriegen ... und dem Leid, das die Menschen einander bringen. Ich verstehe ... dass sie nicht den Wunsch hatten ... dorthin zurückzukehren.«
    »Nicht alle Menschen sind schlecht«, sagte Kriss. »Es waren immerhin Menschen, die euch geschaffen haben!«
    »Wahr.« Orrm nickte – eine Geste, die er sich von ihr abgeguckt hatte. »Aber Menschen ... werden unser Tod sein, wenn sie ... von uns erfahren.«
    »Nicht, wenn ich es verhindern kann«, sagte Kriss.

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