Der Schatz der gläsernen Wächter (German Edition)
blättergeschmückten Kopf. Auch etwas, das er sich von ihr abgeguckt hatte. »Nein«, raunte er. »Keiner von uns ... war je dort. Wird es je ... sein.«
»Aber woher weißt du dann davon?« Lass dir nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen!
»Ein Mann aus Dalahan ... kam zu den Kindern der Erde. Vor fast ... zweitausend Jahren. Wir nahmen ihn auf ... und er erzählte uns ... seine Geschichte.«
Kriss war sprachlos. Genauso gut hätte er behaupten können, ein Mann wäre vom Roten Mond gefallen.
»Viele, die auf unserer Insel gestrandet sind ... haben nach Dalahan gesucht. So wie du, nicht wahr? So wie deine Mutter ... vor dir.« Orrm legte fragend den Kopf zur Seite.
»Ja! Aber ich bin damit nicht allein. Jemand anders ist ebenfalls auf der Suche nach Dalahan. Es gibt dort etwas, irgendein ... Relikt, vermute ich. Es darf nicht in seine Hände fallen. Ich glaube, er würde damit nur Schaden anrichten!«
»Du willst ... ihm zuvorkommen.«
»Wenn ich das kann, ja. Was weißt du über die Insel, Orrm?«
»Nicht viel.«
»Bitte erzähl es mir trotzdem!«
Er tat ihr den Gefallen – und Kriss lauschte mit der gleichen Aufregung, mit der sie Bria immer zugehört hatte.
Vor dreitausend Jahren, berichtete Orrm, lag die Insel Dalahan weit, weit im Süden, doch wo genau, daran erinnerte sich niemand mehr. Ihr Boden war fruchtbar und die Fischernetze immer zum Bersten gefüllt. Die Menschen waren hochgewachsen, ihre Haut hatte die Farbe reicher Erde. Ihr Gott war A’san, der Dreigesichtige, das Licht in den Herzen der Menschen, Schöpfer des Universums und am Ende der Zeit sein Vernichter.
Seine Hohepriester regierten die Insel in seinem Namen, zunächst weise und gütig.
Doch Macht ist ein Gift, das nach mehr verlangt. Und so begannen die Hohepriester, ihre Herrschaft immer eifersüchtiger zu verteidigen. Durfte sich anfangs noch jeder Mann und jede Frau auf Dalahan den Prüfungen für das Priesteramt stellen, war es bald nur noch Auserwählten erlaubt, dies zu tun; Menschen von bestimmtem Blut – dem Blut der Hohepriester. Schließlich gab es nur fünf Hohepriester, die Dalahan regierten und nach ihnen ihre Söhne und Töchter und deren Söhne und Töchter.
Mit Furcht sahen sie (oder glaubten, zu sehen), wie die Außenseiter, mit denen ihr Volk Handel trieb, neue Ideen in die Köpfe ihrer Untertanen säten und sie vom rechten Glauben abführten. Also befahlen sie, alle Verbindungen zum Festland und anderen Kulturen abzubrechen, damit die Herzen ihrer Untertanen rein blieben.
Mit Hilfe der ælonischen Energien versetzten sie die Insel Dalahan weit in den Norden, in das Nirgendwo des Verbotenen Meeres, um dort vor der Saat des Unglaubens sicher zu sein.
Das Volk beugte sich. Die Hohepriester hatten ihm Reichtum versprochen und zumindest dieses Versprechen hielten sie. Das Meer beschenkte Dalahan überreich und das Korn auf den Feldern gedieh wie nie zuvor. Hunderte von Jahren vergingen in Frieden und Isolation, bis die Menschen von Dalahan vergessen hatten, dass es eine Welt jenseits des Verbotenen Meeres gab.
Aber nichts währt ewig und so zog eines Tages ein Dunkel am Horizont auf. Eine Krankheit brach aus, ein Fieber, das die Menschen binnen weniger Tage tötete. Nur eine Berührung reichte, um sich anzustecken.
Kein Kraut und keine Tinktur konnte die Kranken heilen; auch die ælonische Kraft brachte keine Genesung. A’sans Hohepriester sahen darin die Strafe ihres Gottes für ihren Machthunger und sie befahlen dem Volk von Dalahan zu beten, um den Dreigesichtigen wieder gnädig zu stimmen.
Doch auch die stärksten Gebete konnten der Seuche nicht Einhalt gebieten. Bevor ein Monat verstrichen war, hatte sie die Hälfte der Dalahaner dahingerafft. Ihre Leichen lagen auf den Straßen und in den Gärten. Man verbrannte sie, bis der Rauch den Himmel schwärzte, und noch immer zerstörte die Seuche ihre Opfer. Und die Hoffnung.
Einige wenige wagten es, das Gebot der Hohepriester zu brechen. Sie retteten sich vor der Ansteckung ins Meer und verließen die Insel. Der Rest blieb. Und betete. Und starb.
»Heute ... ist die Insel nur ... ein Grabmal«, schloss Orrm. Er sah Kriss an. »Wenn du ... die Insel immer noch finden willst, dann lass dich ... zum Turm führen. Von dort aus ... wirst du sie sehen. Aber ... du wirst nicht finden, was du suchst.«
Diese Nacht fand Kriss kaum Schlaf. Sie lag die meiste Zeit wach und dachte an Orrms Geschichte. Der Morgen kam nicht schnell
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