Der Schatz der gläsernen Wächter (German Edition)

Stirn.
    »Sie haben die Insel versetzt!« Kriss kicherte wieder. Dann begann sie zu lachen. Sehr zur Verwunderung der beiden Riesen – und Lian. »Darf ich mitlachen?«, fragte er.
    Kriss wischte sich eine Freudenträne aus dem Augenwinkel. Wenn du nur hier sein könntest, Bria! »Niemand hat Dalahan in all den Jahrhunderten gefunden, weil sie alle an der falschen Stelle gesucht haben!«
    »Nämlich?«
    Kriss grinste. »Denk an das Baumhaus im Smaragdwald! Es war die ganze Zeit in unserer Nähe, aber wir haben nur nach vorne geschaut – anstatt nach oben!« Das hatte Orrm also gemeint, als er gesagt hatte, sie würde nicht finden, was sie suchte!
    Lian blinzelte verwirrt. Dann schien es ihm zu dämmern. »Du meinst, die verdammte Insel –?«
    »Die verdammte Insel fliegt , Lian!«
    »Nee.« Er schüttelte den Kopf. »Das geht nich’. Keiner kann ’ne ganze Insel einfach so in die Luft heben.« Und etwas weniger sicher fragte er: »Oder?«
    »Man braucht eine gewaltige Menge Ælon dafür – eine unvorstellbare Menge! – aber es ist theoretisch möglich!«
    »Komm schon ...« Lian schien zu glauben, dass sie ihn zum Narren hielt. »Ich mein’ – ’ne ganze Insel ? Wozu?«
    »Um sich vor der Unreinheit der Welt zu schützen. Um die Überlegenheit des eigenen Volkes zu demonstrieren. Um näher bei den Göttern zu sein. Hier, sieh selbst!« Kriss erhob sich und reichte ihm das Fernrohr. Sie stand dicht neben Lian, um ihn in die richtige Richtung zu drehen – die Nähe zu ihm lenkte sie für einen Moment ab.
    »Ich seh nix!«, beschwerte er sich.
    »Es gibt eine Wolke, die niedriger hängt als die anderen. Mit einem Schatten darunter im Meer. Ich weiß nicht wie, aber sie müssen die Wolke irgendwie künstlich geschaffen haben, um sich zu verstecken – vielleicht ein ælonisches Feld, das den Wasserdampf nicht kondensieren lässt ...« Kriss schüttelte den Kopf, als sie begann, in ihre Theorien abzudriften. Wir haben sie gefunden! , dachte sie. Die Insel, nach der die ganze Welt gesucht hat – und wir haben sie gefunden!
    »Ich glaub’, ich seh’ sie!«, verkündete Lian stolz. Er drehte sich Kriss zu – plötzlich spiegelte sich Entsetzen auf seinem Gesicht wieder. »Runter!«, schrie er und warf sich zu Boden, wobei er sie mit sich riss. Bevor Kriss begriff, wieso, fiel ein Schatten auf sie. Der Schiffsfresser flog so dicht über dem Turm hinweg, dass sein schuppiger Bauch sie fast zermalmte. Mit Lians Hilfe kam Kriss wieder auf die Beine; auch die beiden Kinder der Erde erhoben sich und redeten aufgeregt durcheinander. Kriss sah dem Eisenfisch nach – er raste mit alarmierender Geschwindigkeit nach Südosten.
    »Warum hat’s das Vieh auf einmal so eilig?« Lian hob das Fernrohr. »Am Horizont! Ich ... ich glaub’, da kommt ein Schiff! Ja! Es is’ auf dem Weg hierher, wie’s aussieht!«
    Der Fresser hat Beute gewittert. Kriss faltete die Hände, damit sie aufhörten zu zittern. »Ist es die Kompassnadel ?«
    Lian ließ das Fernrohr sinken ohne zu antworten, doch sein bleiches Gesicht verriet ihr alles, was sie wissen musste.
    Die Morgenstern !<7span>

Feuer
    »Lauf und gib den anderen Bescheid!«, sagte Kriss. Sie wusste, dass Lian schneller war als sie.
    »Behalt du den Himmel im Auge!« Lian warf ihr das Fernrohr zu. »Vielleicht arbeitet der Fisch ausnahmsweise mal für uns!« Er lief los; die beiden Riesen fingen ihn vor der Treppe ab. »Lasst mich durch! Da is’ ’n Kriegsschiff im Anflug! Wir müssen das Dorf warnen!«
    Die Kinder der Erde verstanden die Worte nicht, aber sie begriffen die Dringlichkeit ins Lians Stimme. Schließlich gaben sie den Weg frei und einer von ihnen folgte Lian. Kriss hörte ihre Schritte den Turm hinabeilen. Mit eiskalten Händen hob sie das Fernrohr.
    Der Schiffsfresser raste der Morgenstern mit aufgerissenen Kiefern entgegen. Ruhndors Schiff, ganz Eisen und Dornen und fast anderthalb mal so groß wie der Fresser, spie der wahnsinnigen Maschine eine volle Breitseite entgegen. Kriss wunderte sich, dass der General keine ælonischen Waffen zum Einsatz gebracht hatte – aber vielleicht funktionierten diese längst nicht mehr. Die einfachen Kanonenkugeln jedenfalls hielten den Fresser nicht auf. Er hielt unbeirrt auf die Morgenstern zu – und die Morgenstern auf ihn! Kriss erkannte, dass das Schiff des Generals das stachelbesetzte Visier über der Brücke geschlossen hatte. Sein Bug erinnerte jetzt an die Waffe, deren Namen es trug.
    Funken