Der Schatz der gläsernen Wächter (German Edition)
alles daran setzen, uns von innen heraus zu zerstören. Ihr seid nicht die einzigen Spione, die sich innerhalb unserer Grenzen herumtreiben. Aber unsere Geheimpolizei ist die tüchtigste von allen. Und sie kennt Mittel und Wege, Euch zum Reden zu bringen.« Die Fürstin wandte sich gelangweilt an ihre Soldaten. »Schafft sie in den Turm. Sie kriegen eine Nacht Bedenkzeit. Danach sollen sie nach allen Regeln der Kunst verhört werden.«
Die Soldaten packten die beiden Milorianer. »Nehmt eure schessk verdammten Hände weg!«, fauchte Lian und schlug mit gefesselten Händen um sich, bis man seine Arme packte und ihn ruhig stellte.
»Durchlaucht, ich bitte Euch –!« Kriss hielt ungewollt inne, als einer der Soldaten seiner Herrscherin etwas ins Ohr flüsterte. Ein interessierter Ausdruck erschien auf der Miene der Fürstin. »In der Tat?«, fragte sie den Mann und lächelte. »Ich wurde soeben informiert, Doktor , dass wir vor drei Jahren, zur Regentschaft meines Vaters, Besuch von einigen Eurer Landsleute hatten, die sich ebenfalls als Forscher ausgaben. Archäologen, um genau zu sein. Unter ihnen befand ebenfalls jemand mit dem Namen Odwin.«
Für einen Moment vergaß Kriss zu atmen. » Brialla Odwin?«
Die Fürstin sah zu dem Soldaten. Er nickte. »Es hat den Anschein.«
»Das ist meine Mutter, Durchlaucht!«
»Ach wirklich?«
»Was ist mit ihr passiert? Bitte sagt es mir!«
»Nun, was glaubt Ihr? Sie wurde wegen Spionage festgenommen. Genau wie die anderen.«
»Nein!«, keuchte Kriss. »Was habt Ihr mit ihr gemacht?«
»Bleibt weiter so starrsinnig und Ihr werdet es bald am eigenen Leib erfahren«, versprach die Fürstin, nun wieder mit dem lückenhaften Lächeln, das Kriss so sehr hasste. »Gute Nacht, Doktor . Danke für die amüsante Abendunterhaltung.«
Die Soldaten schleiften sie hinaus. Kriss wehrte sich nach Leibeskräften. »Was habt Ihr mit ihr gemacht? Sagt es mir! Was habt Ihr mit ihr gemacht? «
Doch Fürstin Jellisandes Aufmerksamkeit galt allein ihrem schrecklichen Schoßtier.
Ein kleines Luftschiff landete im Innenhof des Palastes. Die Soldaten drängten sie an Bord und befestigten ihre Ketten an der Wand einer Zelle. Mit dröhnenden Luftschrauben flog die Maschine weiter landeinwärts.
Sie kann nicht tot sein! , dachte Kriss mit zugeschnürter Kehle. Sie darf nicht tot sein!
Sie sah zu Lian. Bedauern lag in seinem Blick. Sie schloss die Augen. Tränen rannen über ihre Wangen.
Jenseits des vergitterten Bullauges wichen die Felder Hestrias einer kargen Berggegend, grau und schrundig, so leblos wie die Ebene der Toten, die sie auf dem Weg ins Fürstentum überflogen hatten. Schon von weitem sah Kriss den Turm.
Er war ein spindeldürres Gebäude, fast die Karikatur eines Turms. Schwarzschnäbel und Meckerkrähen umkreisten sein spitzes Dach. Kriss bildete sich ein, das Bauwerk im Wind schwanken zu sehen.
Rötliches Licht badete das Gemäuer. Doch es stammte nicht vom Roten Mond, sondern von dem See aus Lava, über den sich der Turm erhob. Einen Moment lang glaubte Kriss zu sehen, wie sich ein schwarzer Schemen durch die brodelnde und blubbernde Masse schlängelte.
Ein langer Steg wurde aus dem obersten Stockwerk ausgefahren. Männer in farblosen Tuniken kamen aus dem Inneren des Turms, um die Ankertaue des Luftschiffs aufzufangen.
»Bewegt euch!« Mit den Enden ihrer Musketen stießen die Soldaten Kriss und Lian aus dem Schiff. Als sie auf den Steg traten, blies ihnen heiße Luft wie aus einem Backofen durch das Haar; sie roch nach verbranntem Stein und Schwefel. Kriss wusste, wenn sie jetzt nach unten sah, würde sie vor Panik zu Eis erstarren, also richtete sie den Blick stur geradeaus, zu dem Torbogen, unter dem ein fetter Mann wartete und sich mit der fleischigen Hand über die Glatze strich. Seine Kopfhaut war fleckig vor Ausschlägen und Pusteln.
»Neuer Zuwachs für Euch, Direktor!«, meldete ein Soldat. »Zwei milorianische Spione!«
»Was?«, grunzte der fette Mann. Er wischte sich die Hautschuppen von den Händen. »Diese Kinder?«
»Sie gehören Euch. Ihre Durchlaucht wünscht die übliche Behandlung für ihresgleichen!«
»Mit Vergnügen.« Der Direktor beugte sich vor und fasste nach Kriss’ Kinn. Sie erwiderte tapfer seinen Blick aus trüben Schlitzaugen, während ihr fauler Atem ins Gesicht wehte. »Willkommen in unserem bescheidenen Anwesen, junge Herrschaften! Macht’s Euch gemütlich. Wir haben zwar nur wenig Platz, aber dafür jede Menge Gesellschaft!
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