Der Schatz der gläsernen Wächter (German Edition)
Ich verspreche, unser Personal wird Euch jeden Wunsch von den Augen ablesen. Auch wenn’s nichts unternehmen wird, ihn zu erfüllen!« Sein Bauch bebte vor Lachen. Lians Miene verriet Kriss, dass er mit dem Gedanken spielte, sich loszureißen und den fetten Mann über den Steg zu werfen, hinab in die Lava. Sie betete, dass er nichts Unüberlegtes tat.
»Rein da!«
Man zwang sie ins Innere des Turms. Wimmern und Wehklagen schlugen ihnen entgegen. Verzweiflung legte sich wie eine Würgekette um Kriss’ Hals, als sie einer engen Wendeltreppe aus schwitzendem Stein folgten. Hier drinnen war es unerträglich heiß und es stank nach Fäkalien, Blut und Erbrochenem. Zwei Wärter kamen ihnen entgegen. Zwischen sich trugen sie eine bewusstlose Frau, bis zum Skelett abgemagert.
»Futter für die Lavawürmer«, erklärte der fette Direktor fröhlich, während er ihnen voranschritt. »Obwohl, viel ist nicht mehr dran ...«
Kriss hatte das Gefühl, in einem Albtraum gefangen zu sein. »Das ist barbarisch!«
»Spart aber die Beerdigung.« Der Direktor hob im Weitergehen den Finger. »Falls Ihr Fluchtpläne hegt, schlagt Euch das aus Euren hübschen Köpfen. Selbst wenn Ihr es aus den Zellen schaffen solltet, haben meine Leute Euch in Windeseile gefasst. Und für den Fall, dass Ihr dran denkt, den langen Weg nach unten zu nehmen, nun, die Lava ist sehr heiß. Und die Kristalle, die sie am Kochen halten, sind erst in zwanzig, dreißig Jahren ausgebrannt. Aber irgendwas sagt mir, dass keiner von Euch solange durchhalten wird.«
Er schloss eine gusseiserne Gittertür auf. Dahinter gab es einen Gang und links und rechts davon jeweils leere Zellen. Eine einsame Gaslampe flackerte an der Wand; Kriss spürte, wie der Wind gegen den Turm drückte.
Man entfernte ihnen die Ketten von den Handgelenken und sperrte sie ein, jeden in eine andere Zelle.
»Ich wünsche eine gute Nacht!« Der Direktor jaulte vor Lachen. Die Tür fiel mit einem endgültigen Knall hinter ihm ins Schloss.
Kriss’ Beine gaben nach. Sie fiel auf eine Holzbank, mit dem Rücken gegen den warmen Stein und rang mit den Tränen, als sie sich vorstellte, dass Bria die letzten Tage ihres Lebens in diesem Kerker verbracht hatte. Dass alle Hoffnung, ihre Mutter jemals wiederzusehen, vergebens gewesen war; dass sie sie verloren hatte, genau wie ihren Vater.
Aber die Fürstin hat nicht gesagt, dass sie tot ist! Vielleicht ist sie noch hier, in diesem Turm!
Das Atmen fiel ihr immer schwerer. Wenn Bria hier war, dann musste sie sie finden und wenn es nur dazu reichte, sich von ihr zu verabschieden! Sie musste hier raus. Aber wie?
Neben der Bank gab es ein winziges Guckloch, kaum so breit wie ihre Hand. Trotz der Gitterstäbe konnte Kriss bis hinab auf den Lavasee blicken und zum ersten Mal sah sie sie ganz deutlich: Würmer aus schwarzem Metall, so dick wie einige Bäume des Smaragdwalds. Augenlose Kreaturen mit runden Mäulern, die aus dem Magma hervorschossen und nach den Vögeln schnappten, die den Turm umkreisten, nur um anschließend wieder in die flüssige Glut einzutauchen.
Kriss schluckte, die Zunge klebte ihr fast am Gaumen fest. Der Durst war schlimmer als der Hunger, der in ihr brannte. Schweiß lief ihr aus jeder Pore. Doch trotz ihrer Erschöpfung stand sie auf und ging in der Zelle auf und ab, auf und ab. Vorbei an dem stinkenden Loch, das anscheinend für ihre Notdurft vorgesehen war (mit einem Stapel groben Papiers daneben, dessen Zweck eindeutig war). Spinnweben hingen in den Ecken. Jemand hatte – mit einer Münze vielleicht oder seinen bloßen Fingernägeln – Flüche in den Stein geritzt. Staub und Steinsplitter der Arbeit lagen noch auf dem Boden.
Die Gitterstäbe waren massiv und kalt unter ihren Händen und so sehr sie auch daran rüttelte, sie gaben keinen Deut nach. Der Abstand zwischen ihnen war gerade groß genug, dass sie ihren halben Arm durchstrecken konnte.
Wenn Umi nur bei ihnen wäre! Er wäre den Soldaten bestimmt entkommen und ihnen bis zum Gefängnis gefolgt. Dann hätte er sich durch das Guckloch und die Gitterstäbe gezwängt und ihnen einen Schlüssel gebracht. Wieder sah Kriss die Überreste des Vogels vor sich – Fetzen aus Metall und Kristallsplitter. Es schnürte ihr die Kehle zu.
»Wir müssen hier raus!«
»Wenn du mir sagst wie, gerne!« Lian lag auf der Bank in der gegenüber liegenden Zelle und hatte die Hände unter den Kopf gelegt. Kriss sah, wie sehr es ihn quälte, hier eingesperrt zu sein.
»Der
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