Der Schatz der gläsernen Wächter (German Edition)
Gegner und brachten dem Land Frieden. Den Herrn der Hundert Stämme nannte man ihn, Bezwinger der Dunkelheit. Nun-Anra , das Diamantherz.
Doch kein Friede währt ewig. Und kein mächtiger Mann bleibt ohne Feind. Und so kam es, dass O-Nung-Ras jüngerer und einziger Bruder, vom Neid geblendet, eines Tages verkündete, der Frieden habe O-Nung-Ra schwach gemacht; er habe seinen Mut verloren. O-Nung-Ra erklärte sich bereit, ein weiteres Mal allein in die Steppe zu ziehen und acht Tage und acht Nächte nur durch seine Klugheit und seinen Mut zu überleben.
Aber sein Bruder hatte ihm eine Falle gestellt und O-Nung-Ra lief in einen Hinterhalt. Seine eigene Obsidian-Klinge durchbohrte sein Herz. Seine treuen Krieger fanden ihn am nächsten Tage.
Doch die Macht des Juwels hatte O-Nung-Ra nicht verlassen. Sein Pakt mit dem Tod hielt. Er starb nicht. Aber er war auch nicht lebendig. Er schlief. Vielleicht für immer.
Und so kam es, dass seine Anhänger O-Nung-Ra in einem Grabmal auf der Insel der Roten Steine aufbahrten, wo er ruhen sollte, bis dass die Hundert Stämme ihn wieder brauchen würden ...
»Es ist ein Märchen«, erklärte Kriss dem Kapitän. »Aber einen König namens O-Nung-Ra hat es tatsächlich gegeben. Genauso wie sein Grabmal.« Sie schlug das Buch auf und zeigte ihm einen Kupferstich des Gebäudes. Es war so groß wie ein kleines Haus und trug eine Kuppel aus Bronze.
»Und dieses ... Grabmal ist hier?« Bransker kratzte sich den Backenbart.
»Ja! Es lag auf einer kleinen Insel auf einem See in Küstennähe. Dann gab es vor rund achthundert Jahren ein starkes Seebeben, durch das einige Teile der Küste überflutet wurden, zusammen mit der Insel. Und dem Grabmal. Dort liegt es noch heute.«
»Der König auch?« Der Kapitän machte keinen sehr überzeugten Eindruck.
»Nein. Grabräuber haben es längst geplündert. Genauso wie O-Nung-Ras Sarkophag – und seinen Inhalt. Der Schläfer ist fort. Aber sein Haus steht noch. Nur leider ist das schon alles, was hier über das Grabmal steht.« Sie klappte das Buch zu. »Wir werden uns also vor Ort umsehen müssen.«
Glücklicherweise war die Besatzung auf eine Eventualität wie diese vorbereitet. Matrosen brachten die drei Taucheranzüge mit den massigen Helmen aus dem Lagerraum, andere trugen lange Schläuche aus Gummi hinter ihnen her. Draußen wurde mit quietschenden Flaschenzügen eines der sechs Beiboote zu Wasser gelassen, das bislang hinter einem Schott in der Außenwand der Windrose gelagert hatte.
»Euer erster Tauchgang, Doktor?«, fragte der Kapitän und schmauchte seine Pfeife.
»Ja«, gestand Kriss, mit einem unruhigen Blick auf die schweren Kupferhelme. Sie hatten runde Glasfenster vorn und zwei Ventile. Eines an der Seite, über das man verbrauchte Luft abgab, und eines hinten, das mit dem Luftschlauch verbunden wurde. »Aber es kann nicht so schwer sein, oder?«
Branskers Blick sagte etwas anderes. »Lorgis geht mit Euch runter. Hat die meiste Erfahrung.«
»Aye, Käpt’n!« Der muskulöse Luftfahrer grinste mit gelben Zähnen. Allem Anschein nach konnte er es kaum erwarten, etwas anderes zu sehen, als die Holzwände des Schiffs.
»Und wer ist der Dritte?«, fragte Kriss.
»Ich.« Lian trat zu ihnen. Er warf Kriss einen Seitenblick zu, den sie nicht deuten konnte.
Sie sah ihn ernst an. »Das musst du nicht.«
»Ich hab der Baronin versprochen, ’n Auge auf dich zu haben.«
»Ich kann sehr gut allein auf mich aufpassen!«
»Das Risiko geh ich nich’ ein!«
Sie verzog missmutig den Mund. Aber sie wollte vor dem Kapitän und seinen Leuten keine Szene machen. Also sagte sie nur kühl: »Schön.«
Die Luftschrauben der Windrose standen still. Unter ihr schaukelte das Boot auf den Wellen. Drei Matrosen bauten darauf die tonnenförmigen Kompressoren auf, welche die Taucher per Handbetrieb über die Gummischläuche mit Luft versorgen würden.
Im Gang vor dem Fallreep half Barabell Kriss, sich durch die Halsöffnung in den Taucheranzug zu zwängen. Das Ding bestand aus festem Leder mit einer Schicht vulkanisiertem Gummi darüber. Es war sehr weit geschnitten. Mit Schnallen konnte man es an den jeweiligen Träger anpassen. Kriss kam trotzdem nicht umhin festzustellen, dass der Anzug für jemanden mit ihrer Figur nur bedingt geschaffen war.
Man stülpte ihr dicke Handschuhe über. Zu guter Letzt legte sie die dazugehörigen klobigen Stiefel an. Bleigewichte in den Sohlen machten jeden Schritt zu einer Anstrengung. Ein
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