Der Schatz des Blutes
Armutsgelübde gebunden ist. Da wir voller Eifer sind, haben wir uns neue Mühen und Bußen auferlegt.«
»Fahrt fort.«
»Die Stallungen – unser Quartier – genügen im Moment unseren Bedürfnissen, doch anfangs fanden einige unserer Brüder sie zu komfortabel. Bequemlichkeit und Luxus leisten der Faulheit Vorschub und schaden der Disziplin und der Askese. Seid Ihr nicht ebenfalls dieser Meinung?«
Die Prinzessin sah sich in ihrem Luxusgemach um. Möglich, dass sie noch nicht völlig besänftigt war, doch zumindest war ihre Stimme weniger kalt, als sie nun weitersprach.
»Vielleicht wäre ich das, wenn ich einen Hang zur Askese hätte.«
»Nun, lange vor meiner Ankunft haben die Brüder den Entschluss gefasst, dass es nur angemessen wäre, wenn sie richtige Mönchszellen in den massiven Fels unter ihren Füßen hauen würden. Jeder Mann sollte seine eigene Zelle errichten und seine Arbeit Gott weihen, zum Dank für Seine unermessliche Größe. Und das sind die Grabungen, auf die man Euch aufmerksam gemacht hat. Bruder Hugh hat Euren Vater vor dem Beginn der Arbeiten um Erlaubnis ersucht, und König Baldwin war so großzügig, ihm diese zu gewähren.«
Inzwischen sah ihn die Prinzessin mit großen Augen an.
»Aber wozu dann die Geheimniskrämerei?«
»Es gibt keine Geheimniskrämerei, Mylady. Zumindest ist es nicht beabsichtigt. Meine Brüder leben halt schweigsam und diszipliniert; sie beten oft miteinander, unterhalten sich aber selten. Und mit Menschen außerhalb ihres kleinen Zirkels verkehren sie kaum. Daher vermute ich, dass das Stillschweigen im Lauf der Jahre einfach zum Selbstzweck geworden ist. Doch es gibt weder ein Geheimnis, noch führen wir Übles im Schilde. Ich gestehe, dass Ihr mir im ersten Moment einen Schrecken eingejagt habt, weil ich mich fragen musste, ob ich vielleicht blind gewesen bin. Ich werde heute Abend vor dem Schlafengehen ein Dankgebet sprechen, dass ich im Irrtum war – und Ihr auch, wenn ich das sagen darf.«
Die Prinzessin ließ plötzlich die Schultern fallen und lehnte sich auf dem Diwan zurück. Sie starrte ihn mit zusammengekniffenen Augen an, und ihre neue Haltung erinnerte ihn nun doch wieder an den reifen Körper unter ihren Gewändern. Er biss die Zähne zusammen und starrte ins Zimmer, um seinen Blick von ihrer Gestalt abzulenken.
Alice dachte unterdessen über das Gehörte nach, und sie musste sich eingestehen, dass sie ihm glaubte. Seine Behauptung, ihr Vater hätte den Grabungen seinen Segen gegeben, ließ sich zu leicht nachprüfen. Das hatte sie überzeugt. Das sowie seine Feststellung, die Stallungen seien auf massivem Felsen errichtet, denn im Grunde war ihr das klar gewesen. Hätte man sie aufgefordert zu wetten, was eher vorstellbar war – dass die Mönche sich Zellen in den massiven Felsen gruben oder dass sie darin einen unbekannten Schatz suchten –, so hätte sie angesichts des Mönchsritters auf Ersteres gesetzt.
Der alte Odo war wirklich ein Narr, und sie würde noch dafür sorgen, dass er das zu spüren bekam.
Vorerst jedoch fiel ihr auf, wie sehr sich der Mönchsritter vor ihr bemühte, sie nicht anzusehen, und sie erhob sich seufzend. Sie musste zugeben, dass sie ihn für heute hinreichend aus der Fassung gebracht hatte. Schließlich hatte sie noch genug mit ihren Hochzeitsvorbereitungen zu tun.
Sie lächelte St. Clair freundlich zu, dankte ihm höflich für seine Erklärungen und klatschte in die Hände, um Ishtar herbeizurufen, der Bruder Stephen zum Palasttor geleitete.
Von dort stieg er zu den Stallungen hinab, im Arm ein Bündel mit den Kleidern, die er bei seiner Ankunft im Palast getragen hatte.
5
S
CHOCKIERTES SCHWEIGEN senkte sich über die gesamte Bruderschaft der Armen Soldatenkameraden Jesu Christi, sobald Bruder Stephen in Sicht kam. Denn er war in Seide und Musselin gekleidet, sein Gesicht war so sauber, dass es leuchtete, und ihm folgte ein süßer Duft.
Er selbst jedoch war immer noch von einer derartigen Euphorie getragen, dass er allen, die ihm begegneten, entgegengrinste und sie lauthals begrüßte, bis er im Stall verschwand und sie sprachlos zurückließ.
Wie erwartet traf er Bruder Hugh im Archiv im Gespräch mit Bruder Godfrey an. Er trat ein, schloss die Tür hinter sich und lächelte über die Mienen, die sie bei seinem Anblick zogen. Es war de Payens, der als Erster seine Stimme und seine Fassung wiederfand. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkte die Hände vor dem Bauch.
»Dank Gottes
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