Der Schatz des Blutes
Clairs Stimme war bedrückt, seine Enttäuschung hörbar.
»Das ist der Schatz, nach dem wir schon so lange suchen? In Tonkrügen? «
»Tonkrüge, ja, aber frag dich doch einmal, was sie möglicherweise enthalten. Und frag dich auch, wie lange es her sein mag, dass irgendjemand vor uns diese Kammer betreten hat. Und dann frag dich noch, warum sie so sorgsam hier angeordnet worden sind. Also, wenn ich mit meinen Vermutungen Recht habe, sollte sich irgendwo vor uns ein Altar befinden.«
St. Clair verkniff sich die Frage, woher Montbard das wusste, doch es überraschte ihn dann nicht mehr, als sie innerhalb der nächsten zwanzig Schritte tatsächlich auf den vermuteten Altar stießen. Obwohl er die Enttäuschung über die Tonkrüge immer noch nicht ganz verwunden hatte, ließ diese neue Entdeckung seinen Puls wieder heftiger schlagen. Dies war nämlich nicht der Altar, den er erwartet hatte. Der gewaltige Umriss weckte seine Ehrfurcht.
Der Altar war gigantisch, viel größer als alles, was er je in einer christlichen Kirche oder Basilika gesehen hatte. Er schob sich langsam in ihr Blickfeld, und je näher sie kamen, desto mehr schien er sich aus der Dunkelheit zu lösen.
Sie hörten Schritte hinter sich, und Hugh de Payens stieß zu ihnen und brachte eine weitere Lichtquelle mit. Er sagte kein Wort, denn er hatte nur Augen für den Altar, der vor ihnen aufragte. Eine Weile standen die drei Männer schweigend da und ließen den Blick über seine klippenähnlichen Höhen schweifen.
Sie hatten sich dem Altar von der Seite genähert und konnten jetzt erkennen, dass der gewaltige Opfertisch mit Hilfe einer breiten, hohen Treppe erreicht wurde, die sich an seiner Rückseite erhob und deren untere Stufen sie gerade eben sehen konnten. Die Vorderseite, die ihnen auf den ersten Blick völlig schlicht erschienen war, erwies sich beim genaueren Hinsehen als fein gearbeitetes Relief aus Tausenden winziger Symbole.
»Da«, flüsterte Montbard. »Genau, wie es unsere Archive beschreiben. Die Überlieferung entspricht den Tatsachen. Unser Orden gründet sich auf die Wahrheit.«
»Es ist …«
St. Clair schluckte, und die anderen konnten hören, wie er versuchte, seinen Mund anzufeuchten.
»Dies ist keine jüdische Stätte. Das kann nicht sein. Sie verabscheuen Götzenbilder.«
De Montbard legte den Kopf nach hinten, um nach oben zu spähen.
»Es ist eine ägyptische Stätte.« Es folgte eine Pause, dann fuhr er fort: »Alles, was jetzt jüdisch ist, stammt ursprünglich aus Ägypten und wurde von Moses und seinen Israeliten nach Jahrhunderten der Versklavung mitgebracht. So sagt es unsere Überlieferung. Im Lauf der Zeit hat es große Veränderungen gegeben, aber anfangs war alles ägyptisch. Den Beweis dafür haben wir vor uns. Dieser Ort ist unvorstellbar alt, meine Freunde. Moses ist zwar nie in das Land der Verheißung zurückgekehrt, doch es ist gut möglich, dass seine Söhne und Enkel genau an dieser Stelle gestanden haben. Wir haben den Beweis für die Lehren unseres Ordens gefunden.«
»Das klingt ja, als hättest du bis jetzt daran gezweifelt.«
St. Clairs Bemerkung war spöttisch gemeint, doch die Herausforderung in seinen Worten verhallte, weil auch er im Flüsterton sprach.
»Nicht einen Moment«, erwiderte Montbard genauso gedämpft. »Was ich sagen wollte, ist, dass unser Orden sich mit dieser Entdeckung auf handfeste Beweise gründet.«
»So sei es. Ich glaube dir. Aber was haben wir denn gefunden?«
»Wissen, Bruder Stephen. Und einen Altar, der nicht das ist, was er zu sein scheint.«
»Es kommt noch jemand«, sagte Stephen. Sie konnten ein weiteres Licht sehen, das sich näherte. »Gibt es denn irgendetwas, das wir nicht wissen dürfen? Irgendwelche heiligen Geheimnisse?«
Diesmal war es de Payens, der ihm antwortete.
»All diese Dinge sind geheim, Stephen, und sie sind alle heilig. Ah, Goff, ich dachte doch, dass du das bist. Sieh nur, was wir gefunden haben. André glaubt, dass wir am Ziel unserer Suche sind.«
»Ich muss zugeben, dass ich beeindruckt bin. Wie gigantisch. Was ist das?«
Godfrey St. Omer reckte den Hals, um an dem Altar emporzublicken.
»Es ist ein Altar, Godfrey«, erwiderte de Montbard. »In der Überlieferung stand ja, dass er hier sein würde.«
»Wirklich? Bei Gott! Dann muss er einem Zweck dienen. Ist er innen hohl? Können wir ihn betreten?«
De Montbard zuckte mit den Achseln.
»Ich weiß es nicht. So weit sind wir noch nicht. Wir müssen ihn erst
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