Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatz des Blutes

Der Schatz des Blutes

Titel: Der Schatz des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
Vom Netzwerk:
Erleuchtung, nicht nur zu unseren Füßen, sondern rings um uns herum, in allem, was wir tun.«
    Er erhob sich mühelos und stemmte die Hände in die Hüften. Dann trat er langsam vor und vollführte dabei eine Drehbewegung.
    »Du kannst nicht ahnen, mein Freund, wie sehnsüchtig ich auf diesen Tag gewartet habe, ohne zu wissen, ob er tatsächlich je kommen würde. Seit ich den Orden der Wiedergeburt entdeckt habe, habe ich ihm und seinen Lehren mein ganzes Leben geweiht und immer gehofft, keine törichte Wahl getroffen zu haben. Denn es gibt nichts – nein, es gab nichts, woran wir hätten erkennen können, was die Wahrheit war und was nicht. Das hat sich jetzt geändert. Wir haben den Beweis gefunden, und Gott hat uns mit der Gewissheit gesegnet. Bis dahin gab es nichts, was uns von den Christen unterschieden hätte, die in die Irre gehen und blind auf Glaube, Hoffnung und Liebe bauen. Ich habe an die Lehren des Ordens geglaubt. Doch es gab Zeiten, ist denen ich der Verzweiflung nahe war. Der heutige Tag hat all das geändert, und diese Tatsache hat mich in den letzten Stunden so überwältigt, dass ich mich weder getraut habe zu sprechen, noch meine Freunde allzu genau anzusehen. Wo ist die Bundeslade?«
    Diese Frage überraschte St. Clair.
    »Hast du sie noch nicht gesehen? Sie ist dort hinten, hinter dem Vorhang.«
    »Dann komm mit mir.«
    Sie traten vor den geschlossenen Vorhang, und de Payens öffnete ihn behutsam. Dann stand er stumm auf der Stelle und betrachtete die goldene Pracht, bevor er langsam auf die Knie sank. Er streckte zögernd die Hand aus und verharrte weniger als eine Hand breit von den Trageringen entfernt, als wollte er sich vorbeugen und die Truhe berühren, doch dann ließ er die Hand seufzend sinken. Als er St. Clair das Gesicht zuwandte, sah dieser die Tränen über seine Wangen laufen. Auch er spürte einen Kloß im Hals und hätte gern den Kopf abgewendet, doch er konnte sich nicht bewegen.
    Ohne sich seiner Tränen zu schämen, kniff Hugh de Payens die Augen zusammen, dann schluckte er und sprach.
    »Ich bin nicht würdig … kein Mensch ist würdig, Hand an den Wohnsitz Gottes zu legen, des Gottes Moses’ und Abrahams, des Gottes Jesu und Mohammeds. Und für mich gibt es keinen Zweifel, dass diese Lade der Sitz dieses Gottes war und ist. Hier steht sie vor uns, fassbar und real. Heute hat sich die Welt verändert, Stephen St. Clair. Ich bin plötzlich gealtert – nicht, dass ich bald sterben oder mich vom Leben zurückziehen werde, aber ich bin gereift. Und dasselbe gilt für dich, mein Freund. Ich fürchte, dass ich bald in die Heimat zurückkehren muss, um mich um diesen Fund zu kümmern, aber ich werde euch Bruder Godfrey hierlassen, der an meiner Stelle den Orden führen wird, und ihr alle werdet dank unserer heutigen Entdeckung ein anderes Leben führen. Ah! Sieh, wie uns der Herr der Heere zum Schlaf auffordert.«
    Die letzten drei Fackeln hatten zu flackern begonnen und standen kurz vor dem Erlöschen.
    »Rasch, Stephen, nimm die letzte frische Fackel und entzünde sie, solange es noch geht. Sie wird uns den Weg zu unseren Betten weisen, denn morgen gibt es viel zu tun.«
10
    A
    M MORGEN DER HOCHZEIT ZWISCHEN Prinzessin Alice von Jerusalem und Prinz Bohemond von Antiochien gab es zwei Männer – beide waren schon lange vor Tagesanbruch auf den Beinen –, die das Geschehen mit anderen Augen sahen als die Mehrheit ihrer Mitmenschen: Bruder Stephen St. Clair von den Armen Soldatenkameraden Jesu Christi wusste gar nichts von der prunkvollen Hochzeit, weil er weitaus Wichtigeres im Kopf hatte als Hochzeiten und andere Staatsangelegenheiten. Bischof Odo von Fontainebleau dagegen, der der Vermählung beiwohnen würde, hatte für die Zeit des Banketts, das auf das Zeremoniell folgen würde, andere Pläne. Er beabsichtigte, eine Gelegenheit, wie sie sich selten bot, voll auszukosten.
    Keiner der beiden verschwendete einen Gedanken an die Existenz des anderen, denn sie dachten beide nur an ihre eigenen Angelegenheiten.
    Die Hochzeit selbst war das glanzvollste Ereignis im Heiligen Land seit König Baldwins Thronbesteigung. Alice war zwar nicht seine erstgeborene Tochter und daher auch nicht die Thronerbin; diese Ehre stand ihrer älteren Schwester Melisende zu. Und auch Melisende, die schon seit Jahren verlobt war, würde eines Tages heiraten. Doch Alice war die erste seiner Töchter, die Baldwin in die Ehe entließ. Und Bohemond, der Erbe des Fürstentums Antiochien, war eine

Weitere Kostenlose Bücher