Der Schatz des Blutes
Ländereien in der Picardie. Deshalb hatte Godfrey seine halbe Kindheit dort verbracht – normalerweise die Wintermonate, gehorsam, wenn auch unter Protest, denn er war einer der jüngeren Sohne und stand in der Erbfolge erst an fünfter Stelle. Doch er bevorzugte die andere Hälfte seines Lebens, die langen Sommer, die er in der Domäne seiner Mutter verbrachte, die ganz in der Nähe von Payens und dem Wohnort ihrer Lieblingscousine – Hughs Mutter – lebte. Diese Freundschaft zwischen ihren Müttern hatte beinahe unausweichlich dazu geführt, dass die beiden Jungen ebenfalls Freunde wurden.
Während Godfrey Hugh in vielen Dingen sehr ähnelte, war er in anderen das völlige Gegenteil. Die beiden waren etwa gleich alt; Godfrey war nur zehn Monate eher zur Welt gekommen, und körperlich deutete nichts darauf hin, dass sie Verwandte waren. Auf den ersten Blick mochte man den Eindruck haben, dass Godfrey mit seinem leuchtend goldenen Haar der besser Aussehende der beiden war, doch bei näherer Betrachtung standen seine blauen Augen merklich enger zusammen als Hughs braune.
Obwohl beide Jungen ein offenes, freundliches Auftreten besaßen, schienen die wenigen jungen Damen in ihrer Bekanntschaft Hughs dunkle Erscheinung Godfreys sonnigem Aussehen vorzuziehen. Die einzige Ausnahme von dieser Regel war wie zu erwarten Hughs jüngere Schwester Louise. Seit sie alt genug war, um ihn aus der Ferne zu erkennen, hatte sie nur noch Augen für Godfrey St. Omer.
Vielleicht lag es an ihrer engen Freundschaft von Kindesbeinen an – Godfrey fühlte sich Hugh näher als seinen eigenen Brüdern –, dass sie beide das gleiche Können im Umgang mit Waffen an den Tag legten. Nur mit der Armbrust – ohnehin eine umstrittene Waffe, da ihre unpersönliche todbringende Wirkung aus der Ferne nicht zum Geist der Ritterlichkeit zu passen schien – versagte Godfrey kläglich, weshalb er sie auch verächtlich als Waffe für Greise und Krüppel abtat.
Zudem war er genauso belesen und gebildet wie Hugh, eine gemeinsame Eigenschaft, die bei ihren Kameraden auf tiefen Argwohn stieß, da die meisten von ihnen so unwissend wie Zaunpfähle waren und Belesenheit als eine Unsitte der Kirchenmänner betrachteten, die der Selbstbefriedigung oder der Homosexualität gleichkam.
Doch wo Hugh ernsthaft war und so zielstrebig, dass er manchmal einen unnachgiebigen und distanzierten Eindruck machte, war Godfrey sprunghaft. Er besaß einen wachen Geist und einen respektlosen, liebenswerten und verlässlichen Humor, und er war stets bereit, den Standpunkt anderer zu hören. Mit einer einzigen bissigen Bemerkung konnte er eine Sackgasse in einem Gespräch oder einen peinlichen Moment beenden und in Gelächter umwandeln.
Das dritte und älteste Mitglied ihres Triumvirats, wie sie sich gern nannten, war Payn Montdidier, ebenfalls ein Abkömmling einer befreundeten Familie, der irgendwie mit ihnen beiden verwandt war, obwohl sich keiner von ihnen die Mühe machte, die Irrungen und Wirrungen dieses Verwandtschaftsgrades zu erforschen; sie waren Freunde, und das war alles, was für sie zählte. Payn stammte ebenso wie Hugh aus der Champagne; sein Vater war ein alter und hoch geschätzter Offizier und Weggefährte Baron Hugos, dessen Frau wiederum eine geborene Montdidier war.
Payn war ein paar Monate älter als Goff, ein Jahr älter als Hugh, und was seine Erscheinung und sein Auftreten betraf, so besaß er alles, was den anderen fehlte. Schon als Junge war er hochgewachsen und schlank, langbeinig, breitschultrig und schmal in den Hüften gewesen, und der Übergang zum Erwachsensein hatte ihn nichts von seinem jungenhaften Charme oder seinem einnehmenden Wesen gekostet. Er war der größte der drei Freunde, hatte schulterlanges, hellbraunes Haar mit blonden Strähnen und ausdrucksvolle bernsteinfarbene Augen, die selbst die schönsten Frauen in der Nachbarschaft zum Seufzen brachten.
Zum Glück für alle Beteiligten war sich Payn seiner Attraktivität vollkommen unbewusst, und seine selbstverständliche Freundlichkeit und sein bereitwilliges Lächeln machten es ihm leicht, sich mühelos den Bedrohungen der Liebe zu entwinden, die ihn beständig umringten, ohne dass sich seine enttäuschten Verehrerinnen beleidigt fühlten. Zum ebenso großen Glück für Payn selbst war er seinen schmollenden, eifersüchtigen Rivalen an Geschick im Kampf und im Sattel so überlegen, dass er niemals in unwürdiges Gezänk verwickelt wurde.
Er war ein unerschütterlicher,
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