Der Schatz des Blutes
Gesetzes in Frage. So würde jeder Ritter bei dieser Zusammenkunft die Lage beschreiben, und ihre Kameraden in der ganzen Christenwelt würden ihnen beipflichten. Doch was wirklich vorgeht, die Vorgänge, die der ganzen Situation zugrunde liegen, sind noch viel bedeutsamer und besorgniserregender …«
St. Clair hatte ihm aufmerksam zugehört und die Augenbrauen immer höher gezogen, während der Baron redete, doch jetzt winkte er gereizt ab.
»Ich weiß, worauf du hinauswillst, Hugo, aber du irrst dich. Gregor war ein ehrgeiziger Papst, das ist wahr. Doch sein Ehrgeiz galt nur dem spirituellen Reich der Kirche. Sein Einsatz galt der Reform innerhalb der Kirche … die weiß Gott auch nötig war.«
»Sie ist immer noch nötig, und Gregor ist tot.«
St. Clair beachtete diesen Einwurf nicht.
»Doch Gregor hatte kein Interesse an weltlicher Macht. Er war kein Möchtegerndiktator. Es war seine Ansicht, dass Rom die Welt spirituell beherrschen sollte, und zwar erst, nachdem es sein eigenes Haus vom Gestank und dem Schmutz der Korruption gereinigt hatte. Die politische Herrschaft war in seinen Augen stets die Angelegenheit von Königen und Ministern. Er war kein besonders bequemer Zeitgenosse, Gregor der Siebte – vor allem nicht für Priester und Bischöfe auf Abwegen. Er hat jedoch nur von Gottes Glorie geträumt, nicht von seiner eigenen.«
Der Baron schnaubte und zuckte mit den Achseln.
»Das mag ja so sein, doch nur wenige der Charaktere in seiner Umgebung hatten die gleichen Visionen und dieselbe Weitsicht. Allein seine Macht hat sie alle unter Kontrolle gehalten. Jetzt ist er seit drei Jahren tot, und der Mann, der seinen Platz eingenommen hat, ist ein Niemand ohne Rückgrat, der den Eiferern das Ruder überlassen hat, sodass die Kirche heute überall den Status quo in Frage stellt und versucht, in allen Ländern der Christenwelt den weltlichen Herrschern die Macht zu entreißen. So nennen sie Leute wie dich und mich heutzutage: weltliche Herrscher , Herrscher auf Zeit. Das hat sich sicher irgendein neunmalkluger kleiner Schreiberling in Rom ausgedacht, um unsere uralte, gottgegebene Autorität als weltlich und daher vergänglich zu unterminieren. Sie dagegen sind Gottes persönliche Stellvertreter und daher als unantastbar und ewig während zu betrachten. Das wird seit Jahren zunehmend schlimmer. Ich habe schon mit Graf Hugh und Fulk von Anjou und mehreren anderen darüber diskutiert. Uns scheint nichts anderes übrig zu bleiben, als uns zu widersetzen und uns zu weigern, ihre verdammte Arroganz weiter zu dulden.«
Wieder zwang sich Hugo zur Ruhe.
»Diese Einstellung hat nichts Göttliches an sich, das weißt du genauso gut wie ich. Die Priesterbrut, mit der wir es hier zu tun haben, interessiert sich nicht für Gottes Willen. Sie sind ganz und gar von dieser Welt, besessen von der Gier nach Macht und nach Annehmlichkeiten. Sie kaufen ihre Ämter und leben in fleischlicher Sünde. Sie können Gott nur anwidern. Gregor hat versucht, all dem ein Ende zu setzen … und eine Weile ist ihm das auch gelungen. Doch er war nur ein einzelner Mann, und seine Amtszeit war zu kurz. Nun sind sie wieder an der Macht. Dieser neue Papst, Urban, ist eine unbekannte Größe. Möglich, dass er sich auf die Seite der Eiferer schlägt, vielleicht aber auch nicht. Doch wenn er das tut, und sie obsiegen … wenn wir zulassen, dass sie siegen, dann wird die ganze Welt von Priestern und Pfaffen regiert, und Männer wie wir können sich gleich zum Sterben niederlegen.«
»Aber sie werden nicht siegen, das können sie gar nicht. Schließlich sind sie nur Priester! Das ist doch ungeheuerlich.«
»Nein, Stephen, sie sind anderer Meinung – die Priester, meine ich. Sie sagen, dass sie siegen müssen. In ihren Augen ist es unausweichlich. Es ist der Wille Gottes, sagen sie. Und wer kann ihnen widersprechen, wo doch nur Priester mit Gott sprechen können, um Seine Wünsche herauszufinden? Aber es ist ungeheuerlich, da widerspreche ich dir nicht. Es ist eine Ungeheuerlichkeit, die aus Gier und Heuchelei geboren wurde und aus dem Gestank der Korruption. Doch selbst wenn es so weit kommt, wird es lange dauern, ein solches Ziel zu verwirklichen.«
Der Baron holte tief Luft.
»Urban ist erst im März dieses Jahres gewählt worden. Er ist sehr jung, und nach allem, was ich gehört habe, scheint er voller Ideale zu sein. Er hat geschworen, dem Unsinn, der sich vor aller Augen abspielt, ein Ende zu setzen und das Problem der Ritter und
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