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Der Schatz des Blutes

Der Schatz des Blutes

Titel: Der Schatz des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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reagieren konnte, stach der Mann zu.
    Im ersten Moment dachte Odo, der Mann hätte ihn in den Magen geboxt, denn der Hieb verschlug ihm den Atem, doch dann drehte der Angreifer sein Handgelenk und zog seine rasiermesserscharfe Klinge an der Unterkante seines Rippenbogens entlang. Im selben Moment, als er mit einiger Verspätung den grauenvollen Schmerz wahrnahm, spürte Odo auch schon, wie sich seine Gedärme lösten und in seine Gewänder fielen.
    Sein Mund öffnete und schloss sich, stieß aber nur einen schrillen, qualvollen Heullaut aus, denn er war zu keinem Wort mehr fähig.
    Bevor er das Bewusstsein verlieren konnte, beugte sich sein Mörder dicht über ihn und hauchte ihm ins Ohr: »Dies ist ein Hochzeitsgeschenk für Prinzessin Alice und Rache für Arounas Vater. Ihr habt diesen Tod auf Euch genommen, als Ihr seine Tochter besudelt habt.«
    Dann zog er seine Klinge heraus und sah zu, wie Odo auf die Knie sank.
    Mit einer Handbewegung ließ Hassan, der Schiit, seine Assassinaten in den Türen und Gassen ringsum verschwinden, bevor er einen zusammengefalteten Brief aus seiner Brust zog und ihn dem Toten vorsichtig zusteckte, sodass er nicht vom Blut befleckt werden konnte. Ohne über den Gestank der geöffneten Eingeweide die Nase zu rümpfen, wischte er seine Klinge am Umhang des Toten sauber und schritt beiläufig davon.
    Sekunden später betrat St. Clair den kleinen Platz.
     
    DIE ERMORDUNG eines Bischofs verursachte einen Aufruhr unter den Franken, der jedoch nicht von langer Dauer war, da der Brief, den man in seiner Kleidung fand, eine detaillierte Beschreibung seiner Sünden und Übergriffe enthielt und kurz darauf in einem Haus, das auf Odos Namen eingetragen war, eine ermordete junge Moslemin gefunden wurde. Im Lauf des Tages fand man noch zwei weitere Franken, die auf dieselbe Weise ermordet worden waren – einer war der Spitzel Gregorio, der andere Giacomo Versace, ein Laienbruder der Mönchsritter. Diese Entdeckung zog schon keinen Aufschrei mehr nach sich, denn ihre Namen hatten in dem Brief gestanden, den man bei Odo fand.
    Die Mörder der vier wurden nie gefunden.
    Nur St. Clair hatte noch Fragen. Leider konnte er niemandem von seiner Neugier erzählen, so gern er es auch getan hatte. Er war es gewesen, der nicht nur die Leiche des Bischofs gefunden hatte, sondern auch den sauber verfassten Brief, der zwar das Verbrechen nicht erklärte oder entschuldigte, der aber zumindest die Korruption aufdeckte, die der Grund dafür war. Alle Welt hatte dies einfach hingenommen.
    St. Clair war der Einzige, der der Handschrift des Briefes – einer eleganten, zarten und vage weiblichen Handschrift – oder dem Umschlag des Briefes eine Bedeutung zuschrieb. Der Brief war zum Schutz in einen weichen Umschlag aus leuchtend gelbem Leder geschlagen, der an einer Ecke mit einem winzigen Halbmond bestickt war.
    Doch er war so klug, seine Gedanken für sich zu behalten.

E PILOG
    »GEHT MIT GOTT, Brüder, und möge er über Eure Schritte wachen.«
    Mit diesen Worten verabschiedete sich Godfrey St. Omer von den drei Reisenden, die aufbrachen, um den Orden der Armen Soldatenkameraden Jesu Christi vor der Kirche, vor den Mächtigen in Frankreich und vor dem Rest der Christenwelt zu vertreten.
    St. Omer übernahm jetzt das Kommando über die verbliebenen zwei Drittel der Bruderschaft der Tempelritter, die zu Pferd hinter ihm saßen. Mit ausdruckslosen Gesichtern verfolgten sie, wie ihre drei Freunde und Kameraden ihnen ein letztes Mal salutierten und dann ihre Pferde wendeten, um in Begleitung einer Eskorte von fünf Sergeanten den Berg hinunterzureiten, wo sich eine lange Kavalkade bereits auf das Stadttor zuwand.
    Sie hatten sich schon vorher persönlich verabschiedet. Nun würden die Heimreisenden sich bis Antiochia und von dort weiter zum Hafen von Alexandria der Prozession der frisch Vermählten anschließen. Dort würden sie ein Schiff nach Zypern besteigen, die erste See-Etappe ihrer Reise nach Frankreich.
    Während er de Payens, de Montbard und Gondemare nachsah, stellte St. Clair plötzlich fest, dass er lächelte, wenn auch nur mit einem Mundwinkel, denn gerade hatte ihn ein Gedanke an Prinzessin Alice und ihre Verführungskünste erinnert. Er würde sich hier in Jerusalem viel sicherer fühlen, als er es auf der Straße nach Antiochien in der ständigen Gegenwart der Prinzessin getan hätte. Es kümmerte ihn nicht, dass Alice geradezu besessen von ihrem Prachtstück von einem Ehemann war; ihre bloße Nähe

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