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Der Schatz des Blutes

Der Schatz des Blutes

Titel: Der Schatz des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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einnehmende Wesen, um den Papst für seine Ideen zu gewinnen.
    Doch ganz gleich, ob dem so war und woher die Idee gekommen war, es ließ sich nicht leugnen, dass Papst Urbans Ruf zu den Waffen sein drängendstes – und peinlichstes – Problem wirksamer gelöst hatte, als es sich irgendjemand hätte träumen lassen. Er hatte allen christlichen Rittern die Gelegenheit verschafft, am Ende der Welt für eine ruhmreiche Sache zu kämpfen und im Heiligen Krieg gegen die Feinde des Christengottes Erlösung zu finden.
    Der Papst hatte die Idee in die Tat umgesetzt und damit ein tobendes Ungeheuer geschaffen, dessen Blutdurst jeden zu verschlingen drohte, der mit ihm in Berührung kam.
    Zwar würde er die Wahrheit wahrscheinlich nie erfahren, doch Hugh wurde sich immer sicherer, dass sein Patenonkel Papst Urban die Saat dieser Idee in den Kopf gesetzt hatte. Und er fand die Vorstellung, dass eigentlich er, Hugh de Payens, als Erster darauf gekommen war, gleichermaßen befriedigend und erschütternd – erschütternd wegen des Grauens, das diese Idee über die Welt gebracht hatte, obwohl der eigentliche Krieg noch gar nicht begonnen hatte; befriedigend, weil er aktiv dazu beigetragen hatte, den Orden seinen Zielen näherzubringen.
    Von plötzlicher Beklommenheit erfüllt, stand er auf. Er konnte die dunkle Masse der Stadtmauern zwar nicht sehen, doch er spürte sie, und ihm war bewusst, dass ihn seine Freunde neugierig beobachteten. Mit ausdrucksloser Miene wünschte er ihnen eine gute Nacht und begab sich zu seinem Schlafplatz, während er versuchte, sich einzureden, dass er kein Zyniker war. Dabei hätte er angesichts der alltäglichen Grausamkeiten der Männer in seiner Umgebung, der so genannten Armeen Gottes und ihrer berühmten Anführer, allen Grund zum Zynismus gehabt. Jedem, der Augen hatte zu sehen, war klar, dass hier in Outremer, dem Land jenseits des Meeres, mehr um persönlichen Gewinn gekämpft wurde als zum Ruhme Gottes und seiner heiligen Stätten.
    Noch waren sie nicht einmal in der Nähe dieser Stätten, und doch fürchtete Hugh, dass er nicht länger in der Lage sein würde, seinen Abscheu gegenüber seinen Mitreisenden zu verbergen, wenn sich deren Verhalten nicht besserte.
    Doch es sollte noch Monate dauern, bis sich Hugh de Payens zu dem Eingeständnis durchrang, dass die Heiden, gegen die sie kämpften, in vielfacher Hinsicht christlicher und bewundernswerter waren als ihre kreuztragenden Gegner, für die der Schlachtruf Deus Le Veult ! längst Ich will es so ! bedeutete.
     
    IN DEN VIER JAHREN, die von seinem Aufbruch im Jahr 1095 bis zur Ankunft der Frankenarmee vor den Mauern Jerusalems im Jahr 1099 verstrichen, durchlebte Hugh de Payens eine wachsende Ernüchterung, die begann, als die ersten Gerüchte über Gräueltaten von der Vorhut zu den folgenden Armeen durchdrangen.
    Tausende gewöhnlicher Leute – Leibeigene und Bauern – hatten sich von der Begeisterung für und der Hysterie um den Krieg des Papstes mitreißen lassen. Angespornt von Visionen der Erlösung durch die Pilgerfahrt und dem Entrinnen aus ihrem harten Alltag sowie der Hoffnung auf ein besseres Leben im Himmel als Belohnung für ihr Opfer hatten sie spontan und ohne jede Planung ihre Heimat verlassen, um in den Krieg zu ziehen, ins Heilige Land zu reisen und es den Türken mit bloßer Faust zu entreißen.
    Doch ihre Hoffnungen zerschlugen sich schnell, denn innerhalb weniger Wochen nach dem Aufbruch aus ihren Heimatdörfern, die sie noch nie zuvor verlassen hatten, hatten sie zu verhungern begonnen.
    Nie zuvor waren in allen Ländern der christlichen Welt solche Menschenmassen unterwegs gewesen, und die Horden feuereifriger, hoffnungsvoller – und bettelarmer und ungebildeter – Wanderer hatten jeden essbaren Bissen verschlungen und nichts übrig gelassen.
    Tausende starben, bevor sie überhaupt die Grenzen ihrer eigenen Länder erreichten. Und schon einen Monat nach dem Aufbruch der Armee hörten die Daheimgebliebenen in der Champagne voller Entsetzen Gerüchte über Kannibalismus in den schönsten Gegenden Frankreichs.
    Bis zu diesem Punkt hatte sich Hugh mit den Resten des Glaubens und der Erziehung seiner Kindheit an die Hoffnung geklammert, dass alles gut werden würde und die Kirche und ihre Fürsten dieses eine Mal ihre niedrigen Beweggründe vergessen und die Mächte des Himmels anrufen würden, den Massen beizustehen, die Papst Urbans Ruf gefolgt waren.
    Doch diese Hoffnung hatte sich rasch als vergeblich

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