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Der Schatz des Blutes

Der Schatz des Blutes

Titel: Der Schatz des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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über zwei Wochen lang dem Tod nah gewesen, und Arlo hatte dreimal gedacht, er sei tatsächlich tot, weil er so reglos dalag und sein Atem kaum noch spürbar war. Doch jedes Mal hatte sich Payn wieder aufgerappelt und gequält Luft geholt. In der elften Nacht hatte sein Fieber zu sinken begonnen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er ein Viertel seines Körpergewichts verloren. Doch als es ihm erst besser ging, hatte er sich genauso schnell wie die anderen erholt.
    Hugh wusste, dass sie alle nur überlebt hatten, weil es Arlo irgendwie gelungen war, einen Sack Weizen aufzutreiben, den er wahrscheinlich irgendwo gestohlen hatte und nun eifersüchtig bewachte, um das Korn in kleinen Portionen von Hand zwischen zwei Steinen zu mahlen. Sie waren ihm dankbar für den Schatz in seinem schlichten Jutesack und den geschmacklosen, aber gesunden Brei, den er daraus zubereitete.
    Nach acht Monaten und einem Tag war die endlos scheinende Belagerung vorbei gewesen.
    Am 3. Juni war Antiochia im Lauf einer einzigen Nacht gefallen – nicht, weil es erobert wurde, sondern durch Korruption und Verrat, weil einer der Turmwächter gegen Bezahlung das Wassertor geöffnet hatte, sodass die Franken die Stadt infiltrieren konnten. Im Morgengrauen hatten sich über fünfhundert Franken in der Stadt befunden, und der Klang ihrer Trompeten hatte innerhalb der Stadtmauern eine Panik ausgelöst. Der Gouverneur der Stadt war mit dem Großteil seiner Armee durch die rückwärtigen Tore geflohen.
    All dies ging Hugh durch den Kopf, als ihm Godfrey die Nachricht überbrachte.
    »Ich habe mich lange mit dem Leibwächter unterhalten. Sein Dienst war gerade vorbei, und er hat auf einen Freund gewartet. Es war niemand in der Nähe, und so hatten wir Zeit. Ich war überrascht, was er über die Eroberung der Stadt zu sagen hatte …«
    »Ein Leibwächter hatte etwas zu sagen? « Beim Klang von Hughs skeptischem Ton sah ihn St. Omer achselzuckend an und breitete die Hände zu einer spöttisch-entschuldigenden Geste aus.
    »Nun, du weißt doch, was ich meine … der Graf hat es gesagt. Sein Mann hat es nur zufällig mit angehört.«
    »Und was war daran so überraschend?«
    St. Omer zog die Nase kraus.
    »Er sagt, wenn der Emir, dem die Stadt unterstand, seine Männer zusammengerufen und seine Position behauptet hätte, hätten wir keine Chance gehabt, die Stadt einzunehmen, obwohl wir schon innerhalb der Mauern waren.«
    »Hm. Da hat er wahrscheinlich Recht. Wir hatten gerade einmal fünfhundert Mann in der Stadt, und sie befanden sich alle an einer Stelle. Dagegen standen Tausende von Verteidigern, die uns lebendig hätten verspeisen können, wenn sie anders reagiert hätten. Aber das haben sie nicht, also sollten wir auch das akzeptieren und uns damit abfinden. Hat Raymonds Mann etwas davon verraten, wann wir aus dieser gottverlassenen Gegend aufbrechen?«
    »Ich habe ihn danach gefragt, aber er hat nur gesagt, weder morgen noch übermorgen. Ich hatte das Gefühl, dass er eigentlich sagen wollte, dass wir noch eine ganze Zeit hierbleiben werden, um uns neu zu gruppieren und wieder zu Kräften zu kommen.«
    Das überraschte Hugh nicht. Er nickte nur und wandte sich wieder seinen Gedanken zu. Die Zahl sechstausend wollte ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen. Er musste unablässig daran denken, wie viele Männer schon auf beiden Seiten gestorben waren, ohne dass ein einziger Frankenkrieger Jerusalem auch nur zu Gesicht bekommen hatte.
    Dann fiel ihm ein, wie St. Clair am Abend seiner Weihe gesagt hatte, das Beste, was der neue Papst tun könne, um das Problem der Ritter der Christenheit und ihres ungezügelten Benehmens zu lösen, sei die Entfesselung eines Krieges. Diese Erinnerung ging ihm ebenfalls nicht mehr aus dem Kopf. Und er musste daran denken, wie Sir Stephen gesagt hatte, er würde mit dem Papst darüber reden, da die Christenwelt schließlich nicht die ganze Welt sei und nicht die ganze Welt zur Christenwelt gehöre.
    Nun, da ihm dieser Gedanke einmal unfreiwillig gekommen war, drängte sich – vor allem angesichts des hohen Ranges, den St. Clair innerhalb des Ordens bekleidete – gleichzeitig die unausweichliche Schlussfolgerung auf. Hugh war überrascht, dass er nicht eher darauf gekommen war. Schließlich hätte St. Clair so etwas niemals leichtfertig gesagt. Er stand nicht nur in der Ordenshierarchie ganz oben, sondern er besaß zudem die nötige Macht und den Einfluss, um beim Papst Gehör zu finden – und die nötige Intelligenz und das

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