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Der Schatz des Blutes

Der Schatz des Blutes

Titel: Der Schatz des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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schon seit dem Jahr 600 ein Hospital in Jerusalem – damals hatte Papst Gregor ihren Abt Probus angewiesen, dort ein Hospiz zur Versorgung der Pilger im Heiligen Land zu errichten. Seitdem war es mit nur einer Unterbrechung – im Jahr 1005 hatte es ein fanatischer, christenfeindlicher Kalif zerstört – fest in Benediktinerhand.
    Jetzt jedoch war der Kalif längst tot, das Hospiz war wieder aufgebaut worden, und die Brüder hatten ihre Arbeit in Jerusalem erneut aufgenommen. Zwar hatte man ihnen im Jahr 1113 den großartig klingenden Titel »Hospitalritter« als Mittel zur Geldbeschaffung verliehen, doch sie waren überzeugte Pazifisten und hingebungsvolle Christen, die nicht eine einzige Waffe besaßen.
    Hugh erinnerte sich, wie er vor etwa einem halben Jahr eine beinahe schlaflose Nacht in der Nähe einer Gruppe dieser Hospitaliers verbracht hatte. Er hatte in einer überfüllten Karawanserei sechs Tagereisen von Jerusalem entfernt Rast machen müssen. Wie viele andere war auch er gezwungen gewesen, im Freien zu übernachten, um eins der zahlreichen Wachtfeuer gedrängt, die die Kälte der Wüstennacht fernhalten sollten.
    Aus irgendeinem Grund – vielleicht, weil sie die Befreiung von der Disziplin ihrer klösterlichen Umgebung genossen – hatten es die Hospitalritter an diesem Abend nicht eilig gehabt, nach dem Nachtgebet einzuschlafen. Einige von ihnen hatten bis weit in die Nacht hinein wach gelegen und sich angeregt über ein Thema unterhalten, das sie offenbar sehr beschäftigte: den Zustand der Straßen im Königreich und die Umstände, denen sich die Pilger ausgesetzt sahen, denen das Hospiz in Jerusalem seine Existenz verdankte.
    Obwohl er sich nicht an ihrem Gespräch beteiligt hatte, hatte es ihn doch lange wach gehalten und ihn nachhaltig beeindruckt.
    Schon seit den Anfangstagen der christlichen Eroberung war allgemein bekannt, dass die Lage auf den Straßen des Heiligen Landes eine Schande war, die dringender Aufmerksamkeit bedurfte. Doch niemand diskutierte offen über das Problem, weil niemand einen Ausweg wusste, der zu seiner Linderung oder gar Lösung hätte führen können. Es war ein typisches Beispiel für Schafe, die die Wölfe anzogen – oder in diesem Fall naive, verträumte, unbewaffnete Christenpilger, die unablässig wachsende Horden von Nomadenbanditen anzogen und diesen eine leichte, widerstandslose Beute waren. Es war eine peinliche Situation, ein Skandal, den kein Ritter oder Krieger, der etwas auf sich hielt, guten Gewissens dulden konnte. Doch es verstrichen Jahre, ohne dass etwas getan wurde – und inzwischen schien man sich allgemein damit abzufinden, dass auch nichts getan werden würde.
    Eigentlich war König Baldwin dafür verantwortlich, eine Lösung für dieses Problem zu finden. Er jedoch war der Ansicht, keine Soldaten von ihren eigentlichen Pflichten abziehen zu können, und er trug seine Argumente mit großer Überzeugungskraft vor: Der Krieg gegen die Türken, so führte er an, mochte ja vorüber sein. Doch das Königreich Jerusalem sei immer noch ein zerbrechliches Gebilde, umringt von gierigen, aufgebrachten Feinden, vor denen es unablässig auf der Hut zu sein galt.
    Da der Großteil der siegreichen fränkischen Eroberer am Ende des ersten großen Konfliktes heimgereist war, war Baldwin nur eine kleine Armee zur Wahrung des Friedens in seinem Königreich geblieben. Deshalb schöpfte er seine Quellen chronisch bis zum Letzten aus. Wenn er also sagte, er habe weder das Geld noch die Zeit, um sich dem Brigandenproblem auf den Straßen zu widmen, waren dies die glaubwürdigen Worte eines verantwortungsbewussten Königs.
    Unglücklicherweise hatte dies dazu geführt – und das war auch der Gegenstand der Unterhaltung gewesen, die Hugh so faszinierte –, dass in der Bevölkerung die vollkommen falsche, aber erstaunlich weit verbreitete Meinung entstand, die frisch ernannten Hospitalritter sollten es übernehmen, gegen die marodierenden Straßenräuber zu den Waffen zu greifen. Doch diese »Ritter« waren natürlich Benediktinermönche, die durch lange Tradition, durch die Gebote der Kirche und durch ihre Ordensgelübde zur Friedfertigkeit und Geduld verpflichtet waren. Trotz seines großartigen Klangs war ihr Ritterstand nur ein Ehrentitel; sie konnten nicht als Ritter kämpfen, weil sie halt Mönche und Kirchenmänner waren.
    Dennoch wurden sie jetzt in die politischen Konflikte des Königreichs verwickelt. Das war der größte Zankapfel der nächtlichen Debatte

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