Der Schatz des Blutes
arbeitete er reibungslos mit anderen zusammen, bis seine Aufgabe erledigt war und er sich wieder in sich selbst zurückzog, um sich in seine Einsamkeit zu hüllen wie in eine Decke.
In den Augen seiner Kameraden hatte er die Grenze vom Heldentum zum Irrsinn überschritten. Doch niemand suchte nach einer Erklärung für sein bizarres Verhalten. Man ging davon aus, dass sich während der Eroberung Jerusalems ein Fluch auf ihn gelegt hatte und er teilweise den Verstand verloren hatte – und die Tatsache, dass er seitdem nur noch mit und durch seinen Bediensteten Arlo kommunizierte, verlieh dieser Annahme weiteres Gewicht.
Und so war Sir Hugh eine Art Soldatenlegende geworden, deren Taten und Grillen in aller Munde waren. Auch nach seiner Rückkehr in die Christenwelt redeten die Männer weiter über ihn, über sein merkwürdiges Verhalten und seine Tüchtigkeit, seinen Grimm und seine Tapferkeit.
Gemeinsam mit seinen Freunden war Hugh im Jahr nach der Einnahme Jerusalems in die Champagne zurückgekehrt. Dort hatte er sich während der ersten sechs Jahre des neuen Jahrhunderts in die Lehren des Ordens vertieft und seine Heimat von Flandern im Norden bis zur Languedoc im Südosten bereist, um bei den weisesten Gelehrten zu studieren. Wenn Hugh später an diese Zeit zurückdachte, so betrachtete er sie als die schönste Zeit seines Lebens. Unter Gleichgesinnten, die keinerlei Schuld an den Ereignissen von Jerusalem trugen, hatte er ein erfülltes, normales Leben gelebt, in dem das tägliche Waffentraining die einzige Abwechslung darstellte und sich seine Pflichten ansonsten nur um seine Studien drehten.
Doch Anfang 1107 war er vor eine Vollversammlung des Rates gerufen worden und mit der sofortigen Rückkehr nach Outremer beauftragt worden, wo er mit so vielen Ordensbrüdern, wie er finden konnte, Kontakt aufnehmen und sie an ihren Eid erinnern sollte, während sie auf weitere Anweisungen warteten.
Noch während er vor diesem Tribunal stand, kam Hugh zwar der Gedanke, sich genauer über diese Anweisungen zu erkundigen, doch er unterdrückte den Impuls und sagte sich, dass man ihm schon alles mitteilen würde, was er wissen musste, falls es nötig wurde.
Unterdessen, so teilte man ihm mit, würde er mit einer Kompanie von hundert Rittern und dreihundert Waffenknechten reiten, die die Herzogtümer Burgund, Anjou und Aquitanien auf Bitten des Königs und des erzbischöflichen Patriarchen von Jerusalem zusammengestellt hatten. Er würde der Abordnung aus Anjou angehören, die von Graf Fulks Stellvertreter in Outremer befehligt werde.
Begeistert von der Aussicht, sein neu erworbenes Wissen anwenden zu können, hatte er sich auf die Suche nach Payn und Montdidier gemacht, um sie zu überreden, ihn zu begleiten. Doch Payn war in England gewesen, um seinen Schwiegervater Sir Stephen in Yorkshire zu besuchen, und Godfrey St. Omer hatte sich daheim in der Picardie um seine kranke Frau gekümmert. Hugh hatte ein schlechtes Gewissen gehabt, weil er sich nie die Zeit für einen Besuch bei seiner Schwester genommen hatte, die er seit dem Tod ihrer Mutter vor fünf Jahren nicht mehr gesehen hatte, und jetzt keine Zeit mehr für die Reise in die Picardie blieb. Er hatte sich damit begnügt, ihr zu schreiben, einen langen, ausschweifenden Brief von der Art, wie er sie gern schrieb und Louise sie gerne las.
Zwei Wochen nach seinem Zusammentreffen mit dem Rat befand er sich an Bord eines Schiffes auf dem Weg nach Malta, der ersten Zwischenstation, und kein halbes Jahr später war er wieder in Jerusalem, das sich in seiner Abwesenheit sehr verändert hatte.
Dies zeigte sich vor allem darin, dass das Königreich Jerusalem inzwischen Realität geworden war. Gottfried von Bouillons Skrupel, dort, wo Jesus eine Dornenkrone getragen hatte, eine Goldkrone aufzusetzen, hatten für seinen ehrgeizigeren Bruder Baldwin keine Geltung gehabt. Als Gottfried nach nur einem Jahr im Amt des Advokaten des Heiligen Grabes gestorben war, hatte Baldwin den Thron sofort für sich beansprucht. Seitdem hatte er hart und, so hieß es, bewundernswert erfolgreich daran gearbeitet, sein neues Königreich Jerusalem zu stärken und zu festigen und den Einfluss des Christentums in ganz Outremer einschließlich des Fürstentums Antiochia und der Grafschaften Edessa und Tripoli zu kräftigen. Dabei hatte er die Fürsten geschickt gegeneinander ausgespielt und dafür gesorgt, dass sie alle Jerusalem als Machtzentrum von Outremer akzeptierten.
Die Stadt roch zwar
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