Der Schatz des Blutes
gewesen. Einer der Mönche war noch wütender gewesen als seine Begleiter, denn er hatte am selben Tag erfahren, dass der König ernsthaft davon redete, Siedler in sein junges Königreich zu locken, indem er ihnen Land und Brunnenrechte versprach. Frische Siedler! Das war etwas völlig Neues in Outremer: Siedler, die das Land bestellen und Wurzeln schlagen würden, um als Bürger des Königreichs in Jerusalem zu leben.
Zu jeder Zeit und bei jedem Wetter durchzogen Massen von Pilgern das Land, doch sie waren natürlich nur auf der Durchreise. Sie hatten nicht den Wunsch, sich hier niederzulassen und sich eine Existenz aufzubauen. Siedler dagegen würden alles aufgeben, was sie anderswo hatten, um nach Jerusalem zu reisen und sich dort niederzulassen. Daher musste man sie auf jede erdenkliche Weise umwerben.
Die Wut des Mönchs hatte nichts mit den Siedlern selbst zu tun. Er stand voll und ganz hinter dieser Initiative. Was ihn so aufgebracht hatte, war die Nachricht, dass der König nicht bereit war, auf den Reiserouten aufzuräumen und die Straßen für genau die Siedler, die er anzulocken hoffte, sicher zu machen. Wie, so wollte der Mönch wissen, konnte ein vernünftiger Mensch erwarten, dass Bauern – einfache, friedfertige, hart arbeitende Männer – das Risiko eingingen, ihre Frauen und Kinder an einen Ort zu bringen, wo ihr Leben in ständiger Gefahr sein würde. Es sei geradezu idiotisch, obwohl einige Kameraden des Mönchs auch Verständnis für die Lage des Königs äußerten.
So war der Streit hin- und hergegangen, und einige der Mönche hatten gemurmelt, dass sie sich durchaus vorstellen könnten, eines Tages das Schwert zu ergreifen, wenn sich die Lage zu sehr verschlimmerte. Doch die vorherrschende Meinung war, dass wenig gegen die Banditen unternommen werden konnte, solange nicht eine Truppe – wahrscheinlich von Söldnern – aufgestellt wurde, die allein für die Sicherheit der Reisenden auf den Straßen Jerusalems zuständig war.
Hugh war in jener Nacht mit einem Lächeln auf den Lippen eingeschlafen, das dem naiven Optimismus der Hospitalritter galt. Er war schon so lange im Heiligen Land, dass er die bloße Vorstellung, irgendjemand könnte in diesem rauen Land einen Akt der Selbstlosigkeit begehen, lächerlich fand. Keins ihrer Argumente konnte ihn vom Gegenteil überzeugen.
Seit jener Nacht jedoch bewunderte er die Johanniter rückhaltlos. Er war der festen Überzeugung, dass sie jede Unterstützung verdienten. Daher freute es ihn zu sehen, dass die Wachen vor dem Hospital gewissenhaft auf der Hut waren.
Er stellte sich ihnen vor und erklärte den Grund seiner Anwesenheit. Beruhigt wies der Anführer der Wache ihm den Weg.
Nach überraschend kurzer Zeit standen er und Arlo vor einem Bett, in dem ein Mann lag, der auf den ersten Blick viel zu schmächtig zu sein schien, um der Godfrey St. Omer ihrer Erinnerung zu sein.
Doch er war es, und sie mussten sich beide große Mühe geben, den Schrecken und die Bestürzung zu verbergen, in die sein Anblick sie versetzte. Er war ausgemergelt und verschrumpelt und hatte sichtlich Hunger gelitten, doch er war unübersehbar froh, sie zu sehen, denn er entblößte die Zähne zu einem Totenkopfgrinsen.
»Goff, alter Freund.«
De Payens beugte sich über das Bett und ergriff St. Omers Hand, die er sanft drückte.
»Bei Gott, es ist wunderbar, dich zu sehen.«
St. Omer nickte, und Hugh wies auf Arlo.
»Wahrscheinlich würdest du ihn ja nach all der Zeit nicht erkennen, aber das ist Arlo … nur fetter, kahler und älter, wie wir alle.«
St. Omer lächelte erneut und hob seine zerbrechliche, schlaffe Hand, um zu winken, doch Hugh kam ihm zuvor, ehe er etwas sagen konnte.
»Du brauchst nichts zu sagen. Wir sind jetzt hier, und deine Sorgen haben ein Ende. Wir sind aufgebrochen, sobald wir deine Nachricht erhalten hatten. Jetzt lassen wir dich noch einmal allein, um dafür zu sorgen, dass du mit uns nach Jerusalem zurückkehren kannst. Dort wird es dir bald besser gehen, du wirst schon sehen. Die Stadt hat sich sehr verändert, seit du zuletzt dort gewesen bist.«
Er begriff, dass er zusammenhanglos zu stammeln begann, und brach ab. Stattdessen machte er sich mit Arlo auf den Weg, um den Leiter des Hospitals von Jericho zu suchen.
Wie sich herausstellte, hätten sie keinen besseren Zeitpunkt wählen können. Seit sieben Tagen arbeiteten die Mönche daran, eine Karawane zusammenzustellen, die ihre kränksten Patienten nach Jerusalem bringen sollte,
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