Der Schatz des Blutes
wo man sie besser pflegen konnte, und die von einem großen Trupp heimkehrender Ritter begleitet werden würde. Die Vorbereitungen standen kurz vor dem Abschluss. Die Karawane sollte am folgenden Tag bei Sonnenaufgang abreisen.
Allerdings standen den Brüdern nur fünf Pferdegespanne zur Verfügung, die für diese Reise geeignet waren. Diese waren bis zum letzten Zentimeter für Patienten verplant, die viel kränker waren als Godfrey. Ohne sich beirren zu lassen, verbrachte de Payens den Großteil des Tages auf der Suche nach einem weiteren Wagen und fand schließlich einen zweirädrigen Karren, der von einem Pferd gezogen wurde. Das Wagenbett war groß genug, um zwei Menschen nebeneinander auf Stroh zu betten, und es konnte mit einer Stoffabdeckung vor der Sonne geschützt werden.
Der Besitzer weigerte sich zwar, den Wagen zu verkaufen, doch da Hugh ihn nur für den Hinweg brauchte, mietete er ihn kurzerhand mitsamt seinem Besitzer für die Dauer der Reise nach Jerusalem. Angesichts der Tatsache, dass Sir Hugh seinen kranken Freund persönlich eskortieren würde, stimmte der Fahrer den Bedingungen des Ritters widerspruchslos zu.
3
S
IE VERLIESSEN JERICHO pünktlich am nächsten Morgen, und nach fünf Tagen waren Hugh und Arlo wieder in ihrem Quartier in Jerusalem. Vorher hatten sie St. Omer in dem alten Hospiz im Johanniterkloster in der Nähe der Grabeskirche untergebracht, wo ihn die Hospitaliere genau beobachten und wieder ganz gesund pflegen würden.
Trotz seines geschwächten Zustandes war St. Omer zu Hughs Überraschung kräftig genug gewesen, um ihnen unterwegs die Geschichte seines Leidenswegs unter den Anhängern Mohammeds und seines Aufenthalts in ihrer Mitte zu erzählen, den er an das Ruder einer Korsarengaleere gekettet verbracht hatte.
Weil sie aus Rücksicht auf die Kranken und Verletzten in den sechs Wagen langsam reisen mussten, hatten sie am ersten Tag weniger als die Hälfte der zwanzig Meilen zurückgelegt, doch da sie eine große, gut bewaffnete Gruppe waren, sorgte sich niemand um die Gefahren der bevorstehenden Nacht, als sie ihr Lager an der Straße aufschlugen.
Hugh und Arlo hatten St. Omers Trage vom Wagen gehoben und neben ihr Lagerfeuer gestellt. Durch einen ordentlichen Schluck Wein aus Arlos Schlauch gekräftigt, hatte St. Omer nach dem Essen zu reden begonnen.
»Ich möchte dich etwas fragen«, begann er mit flüsternder, zerbrechlicher Stimme. »Als du nach dem ersten Feldzug aus Outremer nach Payens heimgekehrt bist, ist es dir da sehr verändert vorgekommen?«
»Verändert?«
Hugh dachte einen Moment nach und blickte in Arlos Richtung.
»Aye, jetzt, da ich darüber nachdenke, ja. Warum fragst du?«
St. Omer nickte kaum merklich und murmelte: »Weil es mir genauso ergangen ist. Aber ich dachte, ich wäre der Einzige. Keinem der anderen schien es ähnlich zu gehen.«
Hugh dachte einen weiteren Moment nach, dann runzelte er die Stirn.
»Ich glaube nicht, dass sich Payens verändert hatte, Goff. Ich war es …«
»Ich auch.«
St. Omer hielt kurz inne und holte ein paar Mal tief Luft. Dann sprach er weiter, deutlich, aber sehr leise und mit vielen Gedankenpausen.
»Ich hatte nichts mehr … mit meinen alten Freunden gemeinsam, die nicht mit uns gezogen waren. Und ich konnte mit keinem von ihnen darüber reden, wie es … in Antiochia oder anderswo gewesen war. Sie wollten es alle wissen … aber ich konnte es ihnen nicht sagen. Ich wollte nicht darüber reden, weil … weil ich wusste, dass sie sich ohnehin nicht vorstellen konnten … wie es wirklich war. Außerdem … wollten sie sowieso nur hören, was sie schon zu wissen glaubten … Die Priester hatten ihnen … alles erzählt, was sie über den ruhmreichen Heiligen Krieg wissen mussten … und alles, was ich ihnen anfangs erzählt habe … alles, was den Priestern zu widersprechen schien … hat ihnen Angst gemacht. Sie wollten gar nicht hören, was ich … was ich zu sagen hatte, Hugh …«
Hugh hatte hier und da zustimmend genickt. Jetzt streckte er die Hand aus und packte St. Omer am Handgelenk.
»Die gleiche Erfahrung habe ich auch gemacht, genauso schnell wie du. Doch zu diesem Zeitpunkt warst du schon in die Picardie heimgekehrt, und ich saß in Payens fest.«
»Ich musste gehen, sobald ich wieder zu Hause war … ich hatte keine andere Wahl … Louise war ja krank, und ich war … ich war schon viel zu lange von ihr fort gewesen. Sie ist vor acht Jahren gestorben … wusstest du das?«
»Nein, mein
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