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Der Schatz des Dschingis Khan

Der Schatz des Dschingis Khan

Titel: Der Schatz des Dschingis Khan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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schwer beeindruckt. Nach ihrem Erlebnis vom Vortag hatte sie allergrößten Respekt vor den kleinen und wendigen Pferden. Niemals würde sie es wagen, in dieser schnellen und ruckeligen Gangart die Zügel loszulassen. Die Männer hingegen brachten es tatsächlich fertig, dabei auch noch mit dem Pfeil einen Ball zu treffen, der mehr als fünfzig Meter entfernt war. Muriel seufzte. In der artgerechten Tierhaltung mochten die Mongolen noch einiges zu lernen haben, aber was das Reiten anging, waren sie wahre Meister.
    Zum vierten Mal ließ der Fürst der Taischut sein Pferd angaloppieren. Die Lederbälle waren jetzt so weit von der Reitbahn entfernt, dass sich Muriel einen Treffer kaum noch vorstellen konnte. Mit angehaltenem Atem verfolgte sie den rasanten Ritt des Fürsten und konnte nur mit Mühe einen Aufschrei unterdrücken, als dieser den ersten Lederball tatsächlich traf. Ein verhaltenes Raunen lief durch die Menge, als auch der zweite Pfeil sein Ziel fand, brach aber sofort ab, als der Fürst den letzten Pfeil auf die Sehne legte, sich im Sattel umwandte – und den Ball verfehlte.
    Aber der Fürst gab nicht auf. Blitzschnell sandte er dem ersten einen weiteren Pfeil hinterher, den er bereits angelegt hatte, und rettete den Durchgang, als dieser den Ball im letzen Augenblick traf.
    »Das war knapp!« Baku keuchte, als wäre er selbst das Rennen geritten.
    Nun war Dschingis Khan an der Reihe. Er ritt schneller als der Taischutenfürst, schoss schneller – und verfehlte die Bälle nicht ein einziges Mal. Der aufbrandende Jubel war kaum noch zu überbieten. Dschingis Khan hatte den vorletzten Durchgang souverän für sich entscheiden. Vor dem fünften und letzten Durchgang lag er nun mit einem Pfeil Vorsprung vor seinem Kontrahenten.
    Die Anspannung, die über den Zuschauern lastete, war fast greifbar, als die beiden Reiter zum finalen Durchgang Aufstellung nahmen. Die Stille war gespenstisch. Obwohl Muriel nicht wirklich dazugehörte, konnte sie sich der gespannten Erwartung nicht entziehen, die die Mongolen erfasst hatte, auch wenn sie – oder gerade weil sie, anders als die Mongolen – zu wissen glaubte, was gleich geschehen würde.
    Wieder begann der Herausforderer den Wettkampf. Und wieder trafen die beiden ersten Pfeile das Ziel so mühelos, als stünde es noch immer so dicht vor ihm wie beim ersten Durchgang. Aber wie schon beim vierten Ritt verfehlte auch diesmal der letzte Pfeil sein Ziel und schlimmer noch, auch der nachgesandte Pfeil traf nicht.
    Muriel hörte die Zuschauer ächzen, als auch der zweite Schuss danebenging. Jeder wusste, dass der Sieg für Dschingis Khan zum Greifen nahe war, aber niemand wagte zu jubeln, denn noch war der Wettstreit nicht zu Ende.
    Mit lautem »Tschu! Tschu!« trieb der Große Khan sein Pferd an. Schneller als zuvor preschte er die Bahn entlang. Er musste sich seiner Sache ziemlich sicher sein, denn die Bälle waren jetzt so weit weg, dass sie nur noch als kleine Punkte vor dem Hintergrund der Steppe zu erkennen waren.
    »Er will ihn demütigen«, hörte Muriel einen Mongolen neben ihr zu seinem Freund sagen. »Er will diesem Angeber von Taischut ein für alle Mal das Maul stopfen und ihm beweisen, dass er der Beste von allen ist.«
    Der erste Schuss traf. Muriel hörte die Mongolen verhalten jubeln. Auch der zweite Pfeil erreichte den Lederball mit spielerischer Leichtigkeit. Der Jubel wurde etwas lauter, verstummte dann aber sofort wieder. Wie gebannt beobachtete ein jeder, wie der Große Khan den letzten Pfeil auflegte, sich umdrehte, den Bogen noch in der Bewegung spannte und das Ziel anvisierte.
    Muriel sah, dass Baku die Hände zu Fäusten geballt hatte. Alle fieberten dem alles entscheidenden Schuss entgegen – aber der blieb aus. Gerade in dem Augenblick, als der Khan das Ziel anpeilte und auf den Moment der Ruhe wartete, von dem Baku gesprochen hatte, trat sein Pferd in eine Mulde. Im gestreckten Galopp knickten seine Vorderhufe ein, es stürzte und warf seinen Reiter im hohen Bogen aus dem Sattel. Muriel sah den Khan wie in Zeitlupe durch die Luft fliegen, sah, wie er kopfüber auf den Steppenboden prallte, wie er mit verrenkten Gliedmaßen über den Boden rollte und in einer Staubwolke reglos liegen blieb. Sekunden später schienen auch die Mongolen zu begreifen, was geschehen war. Nach dieser kurzen Zeit der Stille brach die Hölle los. Alle schrien durcheinander und rannten auf die Stelle zu, an der der Große Khan auf dem Boden lag – alle, nur Muriel

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