Der Schatz des Störtebeker
einladen oder einen kleinen Wettkampf im Schmetterlingsstil.
»He, Link! Hier drüben!«
Die Stimme kam nicht aus dem Kühlhaus. Sie klang auch nicht nach Seniorenwohnheim. Es war eine Mädchenstimme.
»Li-hink!«
Drüben auf der Stahlbrücke, die zum Anleger führte, winkte jemand. Er winkte zurück, obwohl er nicht erkennen konnte, wer es war.
»Ich komm rüber!« Die vom Nebel verwaschene Gestalt verschwand.
Er wartete. Dann hörte er schnelle Schritte über Asphalt und Metall näher kommen. Eine Gestalt sprang aufs Deck der Polizeibarkasse und kletterte schließlich zu ihm an Deck.
»Hallo!«
»Hm, guten Morgen.«
Vor ihm stand eine Achtzehnjährige mit langen kastanienbraunen Haaren. Sie trug einen schmuddelig wirkenden Wildledermantel mit Pelzbesatz, eine weit ausgestellte Jeans mit bunten Flicken und Turnschuhe, die wahrscheinlich einen Raketenantrieb besaßen, so monströs, wie sie aussahen.
»Ich bin’s«, sagte sie.
»Tja.« Irgendwie kam sie ihm schon bekannt vor.
»Anna… Greta«, versuchte sie ihm auf die Sprünge zu helfen.
»Wie denn nun?«
»Annagreta.«
Er hob die Schultern.
»Das letzte Mal hatte ich noch so lange Haare. Bisschen lockiger.«
Ein Mädchen mit lockigem Haar?
»Vor vier Jahren oder so.«
»Ja und?«
»Mensch!«, stöhnte sie gedehnt. »Annagreta Discher, die Tochter von deinem alten Kumpel Jens. Du nennst ihn doch deinen alten Kumpel, oder? Papa sagt jedenfalls immer ›mein alter Kumpel Link‹.«
»Anna…« In Gedanken verglich Link das Bild, das er von ihr hatte, mit der realen Erscheinung.
»… greta. Es reicht, wenn du mich Greta nennst. Oder Anna, wenn dir das lieber ist.«
Die Annagreta in seinem Kopf, die mit dem lockigen Haar, war pummeliger gewesen. Die hier sah seinem Kumpel Jens nur noch entfernt ähnlich. Mehr so wie ihre Mutter. Aber nicht hanseatisch kühl, sondern… hm, frech?
»Du siehst aus, als wärst du gerade aufgestanden«, sagte sie.
»Wie spät ist es denn?«
»Kurz nach elf.«
»Herrgott.« Link starrte sie verwirrt an. Die Verwirrung wuchs. Greta war hübsch. Donnerwetter! Man könnte sogar »atemberaubend« sagen. Dunkle Augen, volle Lippen, leicht gerötete Wangen.
»Ja, danke, eine Tasse heißer Tee wäre nicht schlecht. Wo ist die Tür?«
»Entschuldige, äh, ja, komm doch rein.«
»Danke.« Drinnen sah sie sich um und hauchte ein paar Dampfwölkchen aus. »Kalt hier. Habt ihr ’ne Sturmflut gehabt?«
»Was?«
Sie deutete auf die Unordnung: »Sieht nach Windstärke zwölf auf der Richterskala aus.«
»Richter ist für Erdbeben zuständig.«
»Soll mir recht sein. Machst du uns einen Tee? Du hast doch bestimmt noch nicht gefrühstückt, oder?«
Link holte die Teekanne aus dem Schrank. »Nein.« Er warf einen Blick ins leere Brotfach.
»Und nichts Vernünftiges zu essen da, stimmt’s?«
»Hmhm.«
»Ich geh uns was holen.«
»Was denn?«
»Da vorn auf diesem Äppelkahn ist doch ein Cafe. Da krieg ich bestimmt belegte Brötchen oder so was. Mit Käse…«
Link verzog das Gesicht.
»Kein Käse? Wurst?«
»Nuggi«, sagte Link.
»Was?«
»Nuggis Elbkate. Fischbrötchen. Bismarckhering.«
»Im Ernst? Zum Tee?«
»Ich mach uns ’ne derbe Ostfriesenmischung.«
»Ja, okay, dann bin ich gleich wieder da.«
Sie brachte vier Brötchen mit dicken Bismarckheringen und Gurkenscheiben und Zwiebelringen. Dazu gab es den stärksten Ostfriesentee aller Zeiten. Mit Kandiszucker.
»Tee passt immer zu sauren Heringen, wenn man ihn nur genug süßt«, erklärte Link.
»Du hast ein cooles Zuhause.«
»Wird Zeit, dass ich die Heizung wieder anschmeiße.«
»Ich mein nicht kühl, sondern cool.«
»Ich weiß. Aber ich hab gestern erst hier angelegt, deshalb ist die Heizung noch nicht wieder eingeschaltet.«
»Macht ja nichts. Aber dass du ausgerechnet gestern deinen Ankerplatz verlassen hast…«
»Liegeplatz«, verbesserte Link.
»Ist doch egal. Deinen Platz im Grasbrookhafen. Davon wusste ich. Papa, ich meine Jens, hat mir davon erzählt. Vom Grasbrookhafen, meine ich.«
»Du wolltest mich besuchen?«
»Nein.«
»Nein?«
Greta deutete auf die Brötchen mit Bismarckhering, die Link nebeneinander auf einen Teller gelegt hatte: »Entschuldigung, aber mir läuft das Wasser im Mund zusammen.«
»Nur zu.«
Sie griff sich ein Brötchen, biss hinein und redete mit vollem Mund weiter.
»Lecker. Ich hab dich gesucht, weil du mir helfen musst.«
Link nahm sich ebenfalls ein Brötchen, klappte es auf und begutachtete die
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