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Der Schatz des Störtebeker

Der Schatz des Störtebeker

Titel: Der Schatz des Störtebeker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Gutberiet
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hatte noch nie in ihrem Leben Tango getanzt. Zu ihrer Entschuldigung muss angeführt werden, dass sie sich schon nach einer Dreiviertelstunde hanseatischem Karneval sehr gelangweilt und deshalb ziemlich viel Champagner getrunken hatte. Na ja, jedenfalls ließ sie sich ganz gern von der kleinen Blonden, die mit heiser klingender Stimme behauptete, Chris zu heißen, küssen. Nur ein bisschen und bloß einmal auf den Busen, okay?
    Es war ein kurzes Vergnügen. Ein bisschen Dreivierteltakt, ein bisschen Viervierteltakt, ein paar ausgetauschte Satzfetzen, Lächeln, ein paar intensive Blicke, ein arroganter Blick Richtung Fischstäbchen, noch drei Gläser Schampus und ein weiteres, um Schwesternschaft mit Chris zu trinken – und dann war sie ausgerutscht. Oder gestolpert. Oder irgendwie nach hinten gekippt. Weiß nicht mehr, aber Chris hat mich zu einem Sessel geschleppt. Mich hingesetzt. Mich angelächelt. Ich sage: Wasser. Sie lächelt. Verschwindet. Taucht wieder auf. Dahinten am Büfett. Arm in Arm mit einem dunkelhaarigen Typen. Knutscht ihn ab. Aber so richtig, wie man nur Männer abknutscht. Stich ins Herz. Aber es tut dem Herz nicht sehr weh, weil es nämlich sturzbetrunken ist. Apropos… die Kohlensäure blubbert nach oben…
    Mithilfe eines jener diskret agierenden Saaldiener, die alle als britische Marineoffiziere verkleidet waren, schaffte sie es gerade noch bis zum Waschraum. Der Offizier schob sie hinein und hoffte das Beste. Sie taumelte durch eine grelle Marmorpracht vorbei an Waschbecken mit goldenen Armaturen neben denen sich blütenweiße, weiche Frotteetücher türmten, stieß unsanft gegen die Schwingtür zum Toilettenbereich, bekam gerade noch die Kurve in eine der Zellen und kniete sich nieder.
    Eine Bekannte ihrer Mutter, die sich als Eisscholle ausstaffiert hatte, fand sie einige Zeit später schlafend auf einem der kleinen Ruhesessel neben den Waschbecken. Die Eisscholle sagte der Riesenkrake Bescheid, und da die Party zu diesem Zeitpunkt sowieso schon ausuferte und man mit keinem Menschen mehr ein vernünftiges Wort wechseln konnte, weil alle zu betrunken waren und außerdem Howard Carpendale und Liza Minnelli Gefallen aneinander gefunden hatten und gemeinsam tiefschwarzen Blues zu röhren versuchten, brachen sie auf.
    Als Greta am nächsten Morgen im Haus ihrer Mutter aufwachte, fiel ihr sofort der Lieblingssong der ersten großen Liebe ihres Lebens ein: »This is a song about when you’ve done something so bad and you wake up the next day and it’s – Sunday Morning.« Das Lied wurde gespielt von »Lou Reed and The Velvet Underground live at Max’ Kansas City«, und der Typ, den sie damals so verehrt hatte, legte die Platte jeden Sonntagmorgen auf. Das war schon viele Jahre her, damals, als die Welt sonntags morgens für kurze Zeit in Ordnung gewesen war. Ihre erste große Liebe? Das war natürlich ihr Vater gewesen. Logisch, oder?
    Ein schemenhaftes Bild von einem hübschen Matrosen mit blonden Locken tauchte hinter ihren geschlossenen Augenlidern auf. Sie drehte sich um und schlief wieder ein.
    Dass ihre Brosche weg war, erfuhr sie erst von ihrer Mutter, die sie gegen vierzehn Uhr aus dem Bett holte. Sie erzählte, wie schwierig es gewesen sei, sie auszuziehen, weil sie immer um sich geschlagen hätte. Der Umhang hätte gefehlt, die Brosche auch. Aber das war noch gar nichts gegen die Schreckensmeldung des Tages: Verschiedene Freundinnen und Bekannte riefen bereits seit neun Uhr morgens in zwanzigminütigem Abstand an, um darüber zu wehklagen, dass sie bestohlen worden waren. Im Atlantic! Auf dem »Nordelbisch-Hamburgischen Faschingsball«! Das war noch nie da gewesen! Also wirklich, wo wir doch eine Wohltätigkeitstombola… Skandalös!
    »Und jetzt hör dir das an«, sagte Marie-Christin zu ihrer Tochter, nachdem sie sie zum Anrufbeantworter gezerrt hatte. »Das hat er schon gestern Nachmittag draufgesprochen. Ich hatte es gar nicht bemerkt. Das war wohl noch, bevor er hier selbst angerückt kam.«
    Es war die Stimme von Papa, ich meine Jens: »Hallo Greta. Hast du meinen Wagen mitgenommen? Melde dich bitte. Ich brauch ihn wieder, und zwar schnell.«
    »Ende. Kein Wort des Grußes an mich. Das ist dein Vater«, stellte Marie-Christin anklagend fest.
    »Dafür kann ich ja nun wirklich nichts.«
    »Und was will er jetzt so schrecklich dringend zurückhaben?«
    »Die Brosche.«
    »Oh, wie ungünstig.«
    »Das kann man wohl sagen.«
    »Du musst ihm wenigstens den Wagen bringen.«
    »Ich

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