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Der Schatz des Störtebeker

Der Schatz des Störtebeker

Titel: Der Schatz des Störtebeker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Gutberiet
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Rüschenbluse und eine Weste, auf die ein Totenkopf gestickt war.
    »Einen Bart könnte ich mir noch ankleben«, sagte sie.
    »Greta, ich bitte dich.«
    »Eine Augenklappe.«
    »Für solche Sperenzien haben wir keine Zeit, mein Kind.«
    »Leihst du mir ein paar von deinen Havannazigarren aus?«
    »Was ist das jetzt wieder für ein Unsinn?«
    »Piratenbräute haben geraucht wie die Schlote, das ist doch bekannt.«
    »Dir wird schlecht werden.«
    »Ich zünd mir das Ding ja nicht an.«
    »Eine Zigarre? Das ist doch obszön.«
    »Umso besser. Ich geh mal eben runter.«
    Greta verließ das Ankleidezimmer. Unten im Wohnzimmer gab es eine Anrichte und darin eine Schublade mit mehreren Zigarrenkisten, die immer dann hervorgeholt wurden, wenn »die Honoratioren« kamen. Das waren entweder ehemalige Geschäftsfreunde von Gretas verstorbenem Großvater oder Alteingesessene wie ihre Mutter aus der Othmarschener Nachbarschaft oder der eine oder andere leitende Angestellte aus der Chefetage »unserer Firma«, wie Gretas Mutter das florierende Handelsunternehmen nannte, an dem sie noch ein paar Prozent Anteile hatte.
    Eine krumme, längliche Brisago war genau das Richtige für Gretas Zwecke. Dann fiel ihr etwas ein. Sie ging durch die Haustür nach draußen. Auf der Garagenauffahrt neben dem penibel gepflegten Vorgarten mit den wuchernden Rhododendronbüschen stand der in dieser Umgebung deplaziert wirkende R5. Sie schloss die Fahrertür auf, kniete sich auf den Sitz und kramte in dem Durcheinander auf dem Boden herum, bis sie die Brosche fand.
    Dann rannte sie ins Haus zurück, die Treppe hoch und blieb wie angewurzelt stehen, nachdem sie wieder ins Ankleidezimmer getreten war.
    »Was ist denn jetzt los? Was soll das denn darstellen?«
    Über weißen Leggins und einem eng anliegenden weißen Kaschmirpulli trug ihre Mutter einen irgendwie zu dick geratenen Schwimmreifen, von dem wulstige Fortsätze ausgingen. Außerdem hatte sie sich eine hohe birnenartige Kappe auf den Kopf gesetzt, mit großen aufgemalten Augen und einem schnabelartigen Maul.
    »Eine Riesenkrake natürlich, was denn sonst.«
    Greta konnte sich kaum halten vor Lachen: »Eine Riesenkrake?« Wie passend, wollte sie hinzufügen, verschluckte sich aber glucksend, was sicherlich besser war. »Octopussy?« Lachend ließ sie sich auf den spanischen Sessel vor dem Schminktisch fallen.
    »Es freut mich ja, dass es sogar dir mal gelingt, die Dinge mit Humor zu nehmen«, gab ihre Mutter mit eisiger Miene zurück.
    »Er hat nur sieben Arme«, stellte Greta fest, als sie sich wieder beruhigt hatte.
    »Auch das hat seinen Grund.« Ihre Mutter drehte sich und zeigte auf einen Armstumpf. »Den hab ich im Kampf mit einem Schwertwal verloren.«
    »Aua.«
    »Können wir dann los, Herzchen?«
    »Klar, ich muss nur noch den Umhang hier zusammenkriegen.«
    »Was ist das denn?«
    »Eine Brosche. Damit haben Seeräuberinnen früher ihre Gewänder zusammengesteckt.«
    »Piratenbräute«, verbesserte ihre Mutter.
    »Oh, Mom, du schaffst es wirklich, jeder Sache einen konservativen Stempel aufzudrücken.«
    »Versteh ich nicht. Komm, gib mal her.« Sie nahm Greta, die sich mit dem Zusammenstecken abmühte, die Brosche aus der Hand und brachte sie richtig an. »So. Jetzt wird’s aber wirklich Zeit.«
    »Mit deinen Krakenarmen wirst du kaum in den Renault passen.«
    »Erstens nehmen wir ein Taxi und nicht die stinkende rostige Blechwanne deines Exvaters…«
    »Deines Exmannes. Er ist immer noch mein Vater!«
    »… und außerdem ziehe ich das Kostüm jetzt wieder aus und den Pelzmantel an.«
    »Hätt ich mir denken können, der Ozottel muss mal wieder ausgeführt werden.«
    »Ozelot, Gretchen, Ozelot.«
    »Ja, ja. Ruf du mal dein Taxi, ich bastel mir so lange eine Augenklappe.«
    Sie trafen genau zum rechten Zeitpunkt im Hotel Atlantic ein. Die Schlange der Teilnehmer des »Nordelbisch-Hamburgischen Faschingsballs« mäanderte durch die noch üppiger als gewöhnlich dekorierte Eingangshalle des Luxushotels. Die Damen und Herren hinter dem Empfangspult hatten zusätzlich zu ihren Uniformen lustige Hütchen aufgesetzt, die einen sehr guten Kontrast zu ihren vorbildlichen Manieren darstellten. Sämtliche Garderoben waren überlastet, aber das wurde gern in Kauf genommen, weil man schon mal alte Bekannte begrüßen konnte.
    Greta war der festen Überzeugung, dass ihre Mutter nur wegen dieses Gedränges am Anfang zu dem Ball ging. Enthemmte Fröhlichkeit war ihre Sache nicht. Aber da war sie

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