Der Schatz des Störtebeker
ruf ihn erst mal an.«
Doch Jens Discher ging nicht an den Apparat. Sie hinterließ eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter, trank hastig zwei Tassen Kaffee und fuhr los. In Heeßel sah alles genauso verwüstet aus wie am Vortag. Greta lief im strömenden Regen durchs Dorf, fragte bei Nachbarn und traf schließlich den Bauern, der die Weide hinter Dischers Hof gepachtet hatte. Der erzählte ihr, er habe gestern Nachmittag, als er mit dem Trecker vorbeigefahren sei, gesehen, wie Jens mit zwei Männern in einen schwarzen BMW eingestiegen sei.
25. FEBRUAR NACHMITTAGS
»Das war vorgestern«, sagte Greta. »Ich bin wieder zurück nach Hamburg gekommen. Erst mal nach Othmarschen. Meiner blöden Mutter war es scheißegal. Sie meinte, früher hätte sie sich vielleicht mal Gedanken gemacht, wenn Papa, ich meine Jens, zu zwei Fremden in den Wagen gestiegen wäre, aber nur wenn es sich um Frauen gehandelt hätte.«
»Das Verhältnis ist wohl schon länger etwas abgekühlt«, meinte Link.
»Eiszeit wäre wohl eher der passende Ausdruck. Sie sehen sich fast nie. Ich bin die Einzige, die die Familie am Leben erhält, indem ich immer hin-und herpendle. Aber mir gefällt’s weder bei ihr noch bei ihm.«
»Hast du keine eigene Wohnung?«
»Ha! Mom, also meine Mutter, meint, ihr Häuschen in Othmarschen sei groß genug für zwei. Stimmt ja auch. Also gibt sie mir kein Geld. Und Jens ist immer pleite, den brauch ich gar nicht erst zu fragen.«
»Zahlt sie ihm keinen Unterhalt?«
»Sehr witzig. Aber wenn ich erst mal meinen Studienplatz in Geschichte habe und in eine andere Stadt gehe, dann können die mich mal. Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, Mom war es also scheißegal, außerdem hatte sie gerade drei alte Schachteln aus der Nachbarschaft zum Bridge da. Bei dieser Gelegenheit füllen sie sich immer mit Portwein ab, und danach ist es zu spät und sowieso unmöglich, sie anzusprechen. Also hab ich mich in mein Zimmer verkrümelt und nachgedacht, beim Fernsehen, da kann ich immer am besten nachdenken. Aber komischerweise ist mir erst im Bett eingefallen, wie ich die Sache angehen muss. Ich sagte mir, du fährst zu Papas altem Kumpel Link. Vielleicht ist er ja da gelandet. Und wenn nicht, hilft der dir bestimmt.«
Sie sah ihn auffordernd an. Auf ihrer rechten Wange klebte ein kleines Stück von einer sauren Heringsflosse.
»Im Bett ist dir das eingefallen?«
»Ja.« Sie wurde ein bisschen rot.
»Noch eine Schale Tee?«
»Ja, bitte. Aber nicht so viel Zucker, ich muss auf meine Figur achten.«
»Im Ernst?«
Sie hielt sich die Hand vor den Mund und grinste: »Ist mir nur so rausgerutscht. Ist ja eigentlich egal.«
»Finde ich auch.«
Noch mehr Rot auf ihren Wangen. Link gab Kluntjes in die Schalen und goss den letzten Tee darauf.
»Er ist nicht hier«, sagte er dann. »Hat sich auch nicht gemeldet.«
»Schöner Mist, aber andererseits bin auch wieder erleichtert.«
»Wegen dieses Schmuckstücks?«
»Die Brosche, ja.«
»So wertvoll kann sie ja auch wieder nicht gewesen sein. Wenn Jens sie besaß.«
»Du meinst, weil er immer pleite ist? Auch kein falscher Gedanke.«
»Hast du sie nun verloren, oder ist sie dir gestohlen worden? Wenn sie verloren gegangen ist, könntest du im Atlantic anrufen und…«
»Hab ich schon gemacht. Die haben nichts gefunden. Sie finden immer die tollsten Sachen, meinten sie, aber eine Brosche in Form einer Hansekogge war diesmal nicht dabei.«
»Und du meinst, dass dieser süße Lockenkopf sie dir geklaut hat?«
Jetzt lief sie knallrot an. »Mann! Hätt ich dir das bloß nicht erzählt.«
»Also was jetzt?«
»Ja, meine ich. Das waren professionelle Taschendiebe. Die haben garantiert auch noch andere bestohlen. Aber das wird natürlich nicht an die große Glocke gehängt. Das Hotel will ja schließlich nicht auf diese Weise in die Schlagzeilen kommen.«
»Ist schon klar. Hast du die Polizei informiert?«
»Denen soll ich erzählen, dass ich sturzbetrunken im Hotel Atlantic…«
»… von einer blondgelockten Schönheit verführt wurdest…«
»Jetzt lass mal gut sein, okay?«
Link hob entschuldigend die Hände: »In Ordnung.«
»Das interessiert die doch einen Scheißdreck.«
»Es interessiert sie mehr, als wenn es im Blauen Peter IV passiert wäre.«
Sie sah zu Boden: »Ich hab ja sogar angerufen, aber meinen Namen nicht genannt. Sie haben gesagt, sie gehen der Sache nach, wenn ich persönlich vorbeikomme.«
»Aber du bist nicht hingegangen.«
»Nein.«
»Warum
Weitere Kostenlose Bücher