Der Schatz des Störtebeker
bemerkte ein Tablettenröhrchen auf dem Nachtschrank und sah es sich an.
»Was wollt ihr hier? Lasst mich in Ruhe!«, stieß Krzysztyna mit heiserer Stimme hervor.
»Wo ist meine Brosche?«, fragte Greta.
Krzysztyna lachte mit hämisch verzogenem Mund: »Hast dich nicht allein hergetraut, hm?« Sie tat so, als würde sie auf den Fußboden spucken. In ihren Mundwinkeln klebte weißer Schaum.
»Falls du dich beruhigen wolltest, hast du die falschen Tabletten genommen«, sagte Link. »Die hier putschen auf.«
Krzysztyna kicherte hysterisch.
»Wo ist meine Brosche, du Schlampe?«
»Warum sollte ich mich beruhigen?«, fragte Krzysztyna kichernd.
»Weil dein Liebster abgehauen ist.«
Krzysztyna erstarrte und glotzte ihn an. »Wie kommst ’n darauf?«
»Ich seh dich an.«
»Meine Brosche«, wiederholte Greta. »Los, du Miststück, wo ist sie?«
Krzysztyna sah sie süßlich lächelnd an: »Hallo, Liebling.«
Greta sprang auf sie zu und schlug ihr ins Gesicht.
»He!« Link zerrte sie zurück.
Krzysztyna breitete die Arme aus: »Komm.«
»Dreckstück!«, schrie Greta und versuchte, sich loszumachen.
»Hör auf«, sagte Link.
Krzysztyna sank in sich zusammen. »Er ist schon drei Tage weg und hat alles mitgenommen.«
»Auch die Brosche?«
Sie nickte.
»Wo ist er hin?«
»Weiß ich doch nicht.«
»Kennst du einen Jens Discher?«
»Ich kenne überhaupt niemanden.« Krzysztyna zog die graue Bettdecke über sich.
»Komm«, sagte Link. »Das hier hat keinen Zweck.« Er ging zur Tür.
Greta blieb stehen und starrte das Mädchen an. Plötzlich sprang Krzysztyna auf, warf sich nach vorn, packte Greta, zog sie an sich und leckte ihr mit der Zunge übers Gesicht. Greta schrie auf, riss sich los und warf Krzysztyna zu Boden, wo sie hysterisch kichernd liegen blieb.
Link zog die zitternde Greta aus dem Zimmer.
Als sie an der Rezeption vorbeikamen, sah die käferhafte Matrone auf: »Nehmen Sie sie nicht mit?«
»Nein«, sagte Link.
»Kümmert sich denn keiner um sie?«
»Sie könnten ihr mal einen Beruhigungstee machen.«
Die Matrone sah ihn ungläubig an: »Ich doch nicht«, sagte sie.
Link und Greta verließen die Pension ohne ein weiteres Wort. Erst als sie aus dem modrigen Treppenhaus ins grelle Tageslicht traten, bemerkte Link, dass Greta leise vor sich hinschluchzte. Er legte den Arm um sie und führte sie zum Auto.
»Fahr du lieber«, sagte sie, als sie vor dem Wagen standen, und gab ihm den Autoschlüssel.
Link wollte den Schlüssel gerade ins Schloss stecken, als er den Mann neben sich bemerkte. Der andere stellte sich Greta in den Weg, die gerade um den Wagen herum zur Beifahrertür gehen wollte.
»Sie suchen doch Jens Discher, oder?«
Die beiden Männer trugen dunkelblaue Anzüge, Macintosh-Mäntel und braune Wildlederschuhe.
»Ja und?«
»Dann kommen Sie mit.«
»Warum?«
»Alles andere wäre kontraproduktiv, Herr Walther.«
1622
Die beiden jungen Männer traten in die Gaststube, legten ihre weiten Mäntel ab und warfen die steifen hohen Hüte auf den Tisch neben dem Eingang. Unter dem Mantel kamen ausgestopfte spanische Hosen zum Vorschein, seidene Strümpfe und Schaftstiefel mit Ledersohlen und hohen Absätzen. Auch die Mäntelchen mit Stehkragen über dem engen Wams und die kurzen Haare deuteten darauf hin, dass man es mit zwei vornehmen Herren zu tun hatte, die nicht aus dieser Gegend stammten. Die Einheimischen in ihren genähten Hosen und schlichten Kitteln beäugten die Neuankömmlinge mit gesenkten Köpfen aus dem Augenwinkel. Derartig ausstaffierte Hoheiten kamen selten in dieses Wirtshaus.
Tatsächlich handelte es sich keineswegs um Abkömmlinge des Adels, sondern um zwei Bürgersöhne aus Hamburg, die sich auf Geschäftsreise nach Emden befanden. Ein Adliger hätte zweifellos bemerkt, dass die beiden flott anzusehenden jungen Männer nicht nach dem allerneuesten Stand der Mode gekleidet waren, also kaum aus höfischen Kreisen kommen konnten. Dass die beiden jungen Männer Wert auf Eleganz legten, wäre ihm dennoch nicht entgangen.
Jonas Ranke und Christian Burchard waren auf der Durchreise. Von Hamburg aus waren sie nach Stationen in Bremen und Oldenburg in Emden angekommen, um Verhandlungen mit einem Händler zu führen, der nicht nur mit Heringen aus der Nordsee, sondern auch mit Rohrzucker aus Westindien handelte, wo, wie sie gehört hatten, auch ein Brandy aus Zuckermelasse hergestellt wurde, nach dem sich eine gewisse Nachfrage entwickelte.
Der Händler hatte sie
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