Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatz des Störtebeker

Der Schatz des Störtebeker

Titel: Der Schatz des Störtebeker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Gutberiet
Vom Netzwerk:
wegen der immer wieder aufflackernden kriegerischen Auseinandersetzungen, die die Region wie auch ganz Europa heimgesucht hatten, an einen befreundeten Kaufmann in Greetsiel verwiesen. Als sie einem Trupp marodierender Landsknechte ausweichen mussten, waren sie vom Weg abgekommen und in dem ehemaligen Handelsort Marienhafe gelandet, einem kleinen Flecken mit einer ungewöhnlich großen steinernen Kirche.
    Mit Verwunderung hatte Jonas Ranke einen Anfall von Aufgeregtheit bei seinem Begleiter wahrgenommen. Christian Burchard, normalerweise ein Ausbund an hanseatischer Nüchternheit, schien magisch angezogen von der Kirche, die Ranke zwar durchaus imposant, aber eben doch eher ländlich einfach vorkam.
    Als sie auf dem Kirchhof angekommen waren, sprang Burchard vom Pferd, lief das Kirchenschiff entlang und rief seinem Begleiter zu, der sich nicht entschließen konnte abzusteigen: »Das ist der Störtebeker-Turm!« Er deutete auf den mächtigen Turm mit den sechs Stockwerken und der hohen Spitze. Ranke zuckte mit den Schultern. Burchard eilte zu ihm zurück.
    »Na komm!«, sagte er. »Steig ab. Wir wollen den Turm hinauf!«
    »Das Land ist flach genug«, protestierte Ranke. »Man muss nicht auf einen Turm steigen, um in die Ferne blicken zu können. Außer der Windmühle dort drüben werden wir auch von oben nichts Besonderes erkennen können.«
    »Darum geht es doch gar nicht. Komm mit, und ich erzähle dir eine Geschichte.«
    »Du erzählst mir eine Geschichte?«, fragte Ranke verwundert. Er kannte seinen Begleiter eher als kühlen Rechner und kalten Bilanzierer. Eine Geschichte hatte er ihn noch nie erzählen hören.
    »Na komm!« Burchard lief um die Ecke zur Stirnseite des Turms.
    Ranke stieg seufzend vom Pferd. Er sehnte sich eher nach einem Bett als nach einer Steintreppe, die in luftige Höhen führte. Zwar war es fast Sommer, aber ein kühler Wind wehte von der See her über das Land, und dort oben im Turm mit seinen Scharten würde es zweifellos zugig sein. Außerdem hatte er Hunger. Noch einmal aus vollem Herzen seufzend, ging er um die Ecke zum Kirchenportal, an dessen schwerer Eichentür Burchard heftig rüttelte.
    »Verriegelt«, stellten die beiden jungen Männer fest.
    »Es wird ja wohl einen Seiteneingang geben.« Burchard stieß sich von der Tür ab und lief den Ostchor entlang.
    Sie fanden eine Tür, die sich tatsächlich öffnen ließ, nahmen ihre Hüte ab und traten ein. Mit einem Mal befanden sie sich in einer Basilika, deren Gewölbe über zwanzig Meter hoch war. Burchard pfiff anerkennend durch die Zähne, dann bekreuzigte er sich hastig. Auch Ranke war beeindruckt. Dies war nicht bloß irgendeine Dorfkirche, dies war ein regelrechter Dom, dessen Spitzbögen sich erhaben nach oben reckten. Säulenbestückte Gewölbe trennten das Hauptschiff von den Chören, eine steile Treppe führte auf der linken Seite neben der Kanzlei auf die Orgelempore.
    Sie traten vor den Altar, bekreuzigten sich, drehten sich um und betrachteten das reichhaltige Gestühl. Die Sitzplätze waren nummeriert, und nicht wenige trugen zusätzlich eine Plakette, auf dem der Name desjenigen vermerkt war, dessen Stammplatz dies war.
    Burchard ging gedankenversunken in der Kirche auf und ab. Ranke begann sich zu langweilen und verließ das Gotteshaus, um draußen auf seinen Begleiter zu warten.
    Der kam schließlich wieder heraus und sagte: »Du musst wissen, dass einer meiner Vorfahren einst hier von dem berüchtigten Seeräuber Störtebeker gefangen gehalten wurde.«
    »Tatsächlich?« Ranke lächelte ungläubig.
    »Aber ja, es war nämlich so, dass…«
    »Halt! Ich schlage vor, dass wir einen gastlicheren Ort aufsuchen.« Ranke deutete auf die Grabsteine des Friedhofes und verzog das Gesicht. »Ich möchte gern unter Lebenden sein. Dann kannst du mir dein Seemannsgarn aufbinden.«
    »Mit Seemannsgarn hat das nichts zu tun«, rief Burchard empört.
    »Schon gut, aber lass uns endlich gehen.«
    Nicht weit von der Kirche entfernt fanden sie ein Wirtshaus. Zu Rankes großem Erstaunen begann Burchard tatsächlich, kaum dass sie ein einfaches Essen, bestehend aus Buchweizenpfannkuchen, Speck und Bohnen, bestellt hatten, eine haarsträubende Geschichte zu erzählen. Sie hatte sich angeblich vor zweihundertfünfunddreißig Jahren hier zugetragen. Auf die genaue Jahresangabe legte Burchard großen Wert. Und während er fleißig Bier trank, was sonst auch nicht seine Art war, bemühte er sich, ziemlich wirres Seemannsgarn zu spinnen. Ein

Weitere Kostenlose Bücher