Der Schatz des Störtebeker
schließlich wanderte sein Blick langsam zu den Stiefeln.
»Eine Zigarette?«
Anton streckte die Hand aus und bekam eine angezündete Zigarette. Er nahm einen Zug und blickte dem Mann ins Gesicht. Es war Ludwig.
»Schön, dich zu sehen, Anton. Du lebst.«
Anton zuckte mit den Schultern.
»Als man mir erzählte, du seiest durchs Dorf gegangen, hab ich es erst nicht glauben können. Wieso geht er einfach so vorbei, ohne bei mir reinzuschauen? Na ja, wahrscheinlich war ich gerade sowieso nicht da. Es hieß, du hättest niemanden angesehen, seiest einfach durchmarschiert. Da hab ich mir natürlich Sorgen gemacht. Mensch, Anton, ist alles noch dran?
Arme, Beine, der Kopp und alles? Ist ja mehr, als man verlangen kann heutzutage.«
Anton sah Ludwig an. Es schien ihm gut zu gehen. Er war nicht so mager wie die Männer, denen er in der letzten Zeit begegnet war.
»Du bist gerade zurückgekommen, musst dich erst mal wieder reinfinden, ist klar. Wir haben hier schon mit dem Aufbau begonnen. Nicht Wiederaufbau, Neuaufbau! Große Sache. Die Welt hat sich verändert, und jetzt geht’s erst richtig los. Willkommen an Bord, Anton!«
Anton sah aufs Wasser, das gelassen ans Ufer plätscherte. Er wollte keine Veränderung. Er wollte, dass das Wasser weiter so gemächlich ans Ufer plätscherte. Er wollte den Kies rollen hören und ab und zu vielleicht das Klatschen einer Welle, die sich an einem großen Stein brach.
»Du siehst ausgehungert aus, Anton. Ich hab dir was mitgebracht. Hier. Butterstullen. Na ja, mit Margarine. Auf einer ist sogar Wurst drauf. Susi hat sie geschmiert. Du weißt doch noch? Susi? Prachtvolles Mädel. Ist jetzt auch bei uns. Hat einen kleinen Umweg übern BDM gemacht, na ja, Schwamm drüber…«
Anton griff nach dem Paket, löste den Bindfaden vom Butterbrotpapier und starrte einen Moment erstaunt auf die Brote. Richtige Stullen! Er nahm eine und biss ab. Sie schmeckten nach nichts.
»Hat dich arg erwischt, was?«, fragte Ludwig. »Lass dir Zeit. Iss erst mal. Hier in der Thermoskanne ist Tee. Der ist warm, das hilft auch. Lass mal, ich schenk dir ein.«
Der Tee war heiß, schmeckte jedoch nach nichts. Aber er tat gut nach der kühlen Nacht.
»Du reparierst die Netze? Willst du rausfahren? Dein Alter hat bis zum Schluss alles bestens in Schuss gehalten. Bis sie ihn geholt haben. War schon komisch. Man hat ihn fast nie reden hören, aber dann hat er einmal den Mund aufgemacht, und sie haben ihn gleich geholt. Der arme Mann. Aber es war vielleicht gut so, dass er sich gewehrt hat. Erschossen werden ist besser als KZ, kannst du mir glauben. Ich hab da einiges gesehen, was du dir nicht vorstellen kannst. Na ja… aber wenn ich mir dich so angucke… war wohl auch ziemlich schlimm, was?«
Anton aß mechanisch ein zweites Brot auf. Er erwischte das mit der Wurst. Sie schmeckte auch nach nichts.
»Wenn du rausfahren willst… für deinen eigenen Bedarf, klar. Spricht nichts dagegen, erst mal jedenfalls. Aber wir sind gerade dabei, die Fischerflotte neu zu organisieren. Du gehörst ja eigentlich nicht dazu. Aber wegen deines Vaters, auch wenn er ein Eigenbrötler war, kannst du natürlich darauf zählen, dass du dabei sein darfst. Wir haben Großes vor. Mit vereinten Kräften. Sollst mal sehen. Wir werden die Transportwege ausbauen. Dann schaffen wir die Fische aus den Booten im Akkord zum alten Hafen hoch. Sollst mal sehen.« Ludwig lachte. »Ist klar, dass dann nicht mehr jeder einfach auf eigene Rechnung losrudern kann. Aber darüber sprechen wir noch, hm?«
Ludwig stand auf. »Morgen komm ich wieder vorbei. Bring dir wieder ein paar Stullen mit, wenn du magst. Vielleicht kommt Susi auch mal mit. Na ja, wenn sie Zeit hat. Bis dann.«
Als er die Düne hinaufstieg, verlor er kurz das Gleichgewicht und ruderte mit den Armen in der Luft, dabei schlug sein Jackenschoß zurück und gab den Blick auf ein Pistolenhalfter frei.
Anton wandte sich wieder seiner Reparaturarbeit zu.
Später schob er das Boot ins Wasser, nahm sich zwei Angeln und ruderte aufs Meer hinaus. Er war lange nicht mehr draußen gewesen. Es herrschte beinahe Windstille. Die Wasseroberfläche war flach und ruhig. Mit kräftigen Zügen zog er die Riemen durch das Wasser.
Er ruderte immer weiter. Schließlich erreichte er das Fischerdorf. Er sah die Fischerboote am Ufer und die gestapelten Kisten mit dem Fang des Tages, der darin in den Ort transportiert wurde, wo er weiterverarbeitet oder verkauft werden konnte. Er sah Fischer
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