Der Schatz im Silbersee
war verrathen und wollte ihn erschießen; er war schneller als ich und schlug mich nieder. Als ich erwachte, lag ich in Finsternis und war gefangen. Rufe Winnetou! Er kennt mich nicht; aber wenn ich mit ihm sprechen darf, werde ich beweisen können, daß ich kein Utah, sondern ein Najavo bin. Als ich den Bruder den Gefährten übergeben hatte, entfernte ich die Kriegsfarben aus meinem Gesichte, um von den Utahs nicht sogleich als Feind erkannt zu werden.«
»Ich glaube dir; du bist ein Navajo und sollst frei sein.«
Da fuhr die »gelbe Sonne« auf: »Er ist ein Utah, einer meiner Krieger, ein Feigling, der sich durch eine Lüge retten will!«
»Schweig!« gebot Old Shatterhand. »Wäre es wirklich ein Gefährte von dir, so würdest du ihn nicht verraten. Daß du ihn verderben willst, beweist, daß er die Wahrheit gesprochen hat.
Du bist ein Häuptling, aber deine Seele ist diejenige eines gemeinen Feiglings, den man verachten muß!«
»Beleidige mich nicht!« brauste der andre auf. »Ich habe die Macht, euch alle zu verderben. Nimmst du uns die Bande ab, so soll euch verziehen werden. Thust du es aber nicht, so werdet ihr von tausend unbeschreiblichen Qualen erwartet!«
»Ich verlache deine Drohung; du befindest dich in unsrer Gewalt, und wir werden mit dir thun, was uns beliebt. Je ruhiger du dich in deine Lage fügst, desto erträglicher wird sie sein. Wir sind Christen und erfreuen uns nicht daran, unsern Feinden Schmerzen zu bereiten.«
Indem er dies sagte, befreite er den Navajo, welcher ein noch junger Mann war, von seinen Fesseln. Dieser sprang auf, reckte und dehnte seine Glieder und bat: »Gib diese Hunde in meine Hand, damit ich mir ihre Skalpe nehmen kann! Je milder du mit ihnen bist, desto mehr werden sie dich betrügen.«
»Du hast keinen Teil an ihnen,« antwortete Old Shatterhand
»Du wirst vielleicht mit uns ziehen; aber wenn du es wagst, sie auch nur mit dem Finger zu berühren, würde ich dich mit meinen eigenen Händen töten, Nur wenn wir sie leben lassen, können sie uns Nutzen bringen; ihr Tod aber würde uns schaden.«
»Was könnte das für ein Nutzen sein?« fragte der Rote verächtlich. »Diese Hunde sind zu nichts gut.«
»Darüber habe ich dir keine Erklärung zu geben. Willst du sicher zu den Deinen gelangen, so hast du dich nach unserm Willen zu richten.«
Man sah es dem Gesichte des Navajo an, daß er nur ungern auf die Erfüllung seines Wunsches verzichtete, aber er mußte sich fügen. Um ihm einigermaßen zu Willen zu sein, übergab Old Shatterhand ihm die Bewachung der gefallenen Utahs und versprach ihm den Skalp desjenigen von ihnen, der es wagen würde, einen Fluchtversuch zu unternehmen. Das beruhigte den Mann und war zugleich ein kluges Arrangement, da es jedenfalls keinen aufmerksameren und unermüdlicheren Aufseher geben konnte als ihn, der so lüstern nach den Kopfhäuten der Gefangenen war.
Nun galt es vor allen Dingen noch, die ermordeten Weißen zu besichtigen. Sie boten einen Anblick dar, dessen Beschreibung am besten unterlassen bleibt. Sie waren unter großen Qualen gestorben. Die Männer, welche bei den Leichen standen, hatten schon viel gesehen und erfahren; aber sie konnten sich eines Schauders nicht erwehren, als sie die zerstochenen Körper und verunstalteten Gliedmaßen der Toten erblickten.
Die Tramps hatten geerntet, was und wie von ihnen gesäet worden war. Am schlimmsten war es dem Cornel ergangen. Er hing verkehrt am Marterpfahle, mit dem Kopf nach unten. Er war, ganz wie seine Gefährten, von allen Kleidern entblößt; die Roten hatten die Anzüge unter sich verteilt, und es war nicht das kleinste Stück derselben zu sehen.
»Jammerschade!« sagte Old Firehand. »Hätten wir doch eher kommen können, um die Ermordung dieser Leute zu
verhindern!«
»Pshaw!« antwortete der alte Blenter. »Habt Ihr etwa auch noch Mitleid mit diesen Kerls? Und wenn wir zur rechten Zeit gekommen und es euch gelungen wäre, ihnen das Leben zu retten, der Cornel hätte doch sterben müssen. Mein Messer hätte auf alle Fälle ein Wort mit ihm gesprochen.«
»So war es nicht gemeint, denn ihren Tod bedauere ich nicht, wenn ich auch wünsche, daß derselbe ein weniger grausamer hätte sein mögen. Aber das Papier, das Papier, die Zeichnung, welche der Cornel bei sich trug! Die wollte ich haben; die brauchten wir! Und nun ist sie fort; jedenfalls verloren.«
»Vielleicht finden wir sie. Jedenfalls geraten wir noch mit den Utahs zusammen, und dann wird es wohl auf
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