Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)
folgen. Ich fühlte, dass meine Kniegelenke so weich wie Pudding waren, wodurch ich bei den wenigen Schritten in die Bar hinüber stärker als sonst hinkte. Plötzlich blieb MacGinny stehen und sah mir ins Gesicht.
»Deswegen sind Sie also so verschlossen.« Er deutete auf meinen rechten Fuß. »Wie lange haben Sie das schon? Von Geburt an?«
Dunkle Röte schoss mir ins Gesicht. Dieser Mann hatte wahrlich nicht das Benehmen eines Gentlemans. Jeder andere hätte meine Behinderung zwar bemerkt, wäre jedoch kommentarlos darüber hinweggegangen. Wahrscheinlich erkannte er jetzt, dass es mit einem kurzweiligen Tanzvergnügen nichts werden würde. Ich schluckte zweimal und sagte dann, ohne seinem durchdringenden Blick zu begegnen:
»Ich bin wirklich sehr müde, Mr. MacGinny, und möchte jetzt zu Bett gehen. Ich danke Ihnen für Ihr Angebot.«
Er lächelte.
»Schade, dass ich Sie nicht zu einem Schlummertrunk bewegen kann. Es wäre sicher ein netter Abend geworden, bevor Sie Ihre strenge Stellung antreten müssen. Wir werden uns allerdings morgen beim Frühstück nicht mehr sehen, denn ich reise bei Sonnenaufgang ab.«
Unverschämter Kerl! Wie kam er auf die Idee, dass ich am kommenden Morgen Wert auf seine Gesellschaft legen könnte? Verärgert über meine Unsicherheit dem anderem Geschlecht gegenüber, drehte ich mich einfach um und ließ ihn stehen. Während ich durch den Raum hinkte, war es mir, als hinterließen seine blauen Augen brennende Male auf meinem Rücken.
Morgen würde ich nach Cromdale House reisen und keinen Gedanken mehr an Harrison MacGinny verschwenden.
Wenn ich in dem Moment gewusst hätte, was mir am folgenden Tag bevorstand, hätte ich vermutlich den nächsten Zug zurück nach London bestiegen.
Am frühen Nachmittag erreichte die Postkutsche die kleine Stadt Grantown-on-Spey. Bis Tomatin genoss ich die angenehme Gesellschaft einer älteren Dame, die auf dem Weg zu ihren Enkelkindern war. Sie erzählte pausenlos aus ihrem Leben, was mir nicht unangenehm war, denn so wurde ich von meinen Gedanken an den unverschämten Fremden des gestrigen Abends abgelenkt. Nach kurzer Rast in dem kleinen Dorf stieg der Weg in das Hochland an. Obwohl es neblig und trüb war, konnte ich mich der kargen Schönheit des Landes nicht verschließen. Links und rechts der Straße erhoben sich kahle Hügel, als einzige Vegetation schmückten Erikasträucher die Weiten. Manchmal sah ich ein einsames Cottage, aus dessen Schornstein Rauch aufstieg. Tausende von Schafen, die wie weiße Wattetupfen in der braunen Landschaft standen, waren zeitweise die einzigen Lebewesen. Die Atmosphäre war einsam, zugleich wirkte sie auf mich heimelig. Was für ein krasser Gegensatz zu der lauten Hektik der Stadt! In London pulsierte das Leben, kaum ein Quadratmeter, auf dem sich keine Menschen befanden. Ob Cromdale House ebenfalls in einer solch einsamen Gegend lag?
Die Stadt Grantown-on-Spey bestand aus nur einer Hauptstraße mit schlichten Häusern aus grauem Granit, an deren Ende sich eine wuchtige Kirche erhob. Die Kutsche hielt vor dem einzigen Gasthaus. Ich erkannte eine Bäckerei und einen Gemischtwarenladen. Ein paar Frauen standen plaudernd um den Brunnen, und ein älterer Mann zog rumpelnd einen Leiterwagen mit Fässern hinter sich her. Auf den ersten Blick erschien es mir wie die Idylle schlechthin.
»Wissen Sie, wo sich das Cromdale House befindet?«, wandte ich mich an den Postkutscher, der meinen Koffer aus dem Gepäcknetz lud.
»Leider nein, Miss. Aber da drüben können Sie ein Fuhrwerk mieten. Sicher kann der Kutscher Sie zu Ihrem Ziel bringen.«
Er deutete kurz auf die Remise neben dem Gasthaus. Ich dankte und ging auf den betagten Mann mit schlohweißem Haar zu.
»Entschuldigen Sie bitte, aber ich suche eine Fahrmöglichkeit zum Cromdale House. Es muss hier ganz in der Nähe liegen. Ist es Ihnen bekannt?«
Der Kutscher schob seine Schirmmütze zurück und kratzte sich ausgiebig am Haaransatz. Dabei rieselten weiße Schuppen auf den dunklen Kragen seiner nicht ganz sauberen Jacke, etwas, das ihn mir nicht gerade sympathisch und vertrauenswürdig machte.
»Garreoch scho weet drroelach ...«
»Wie bitte?«
»Ioch sarrgte, dadoerrch scho eet drroelach!«
Verzweifelt blickte ich mich um. Offenbar war der Mann geistesgestört. Vielleicht handelte es sich bei ihm um den Dorftrottel? Dagegen sprach allerdings das Fuhrwerk mit dem kräftigen Rappen, an dessen Rand er gelehnt stand. Ich konnte weit und breit keine andere Kutsche
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