Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)
benötigte. Langsam trat ich einen Schritt zur Seite.
»Können Sie mir eine gute Unterkunft für die Nacht empfehlen?«
»Selbstverständlich«, versicherte er hastig und erleichtert, dass der peinliche Moment vorüber war. »Das Ness View wird Ihre Zustimmung finden. Zwar hält der Name nicht, was er verspricht – Sie können von dort aus weder den Fluss noch den See sehen –, aber es bietet anständige Zimmer zu einem angemessenen Preis. Ich begleite Sie gerne dorthin. Es sind nur wenige Minuten die Straße hinauf.«
Ich nahm seine Begleitung dankbar an und war über seine Feinfühligkeit, die er trotz seiner Jugend ausstrahlte, erstaunt. Auf der Straße passte er sich meinem langsamen Schritt an. Wir zwei bildeten ein seltsames Paar! Der junge Grampson war für sein Alter viel zu rasch in die Höhe geschossen, so dass sein Gang durch die zu langen Gliedmaßen unkontrolliert wirkte. Ich hielt meinen Blick starr geradeaus gerichtet und meinte, alle Passanten würden sich nach uns umdrehen und zu tuscheln beginnen. Erleichtert betrat ich die kleine, blitzblanke Hotelhalle. Mr. Grampson vergewisserte sich noch, dass für mich ein Zimmer frei war, nannte mir die Abfahrtszeit der Postkutsche am nächsten Vormittag und verabschiedete sich dann mit einer Verbeugung.
Mein Zimmer war klein, aber gemütlich und zweckmäßig in der Einrichtung. Es gab allerdings kein Badezimmer, nur eine Anrichte mit einer großen Waschschüssel aus blau bemaltem Porzellan. Ich sehnte mich nach einem heißen Bad, um den Staub der langen Reise abwaschen zu können. Doch wahrscheinlich würde ein solcher Luxus extra kosten. Da ich nicht wusste, was mich in Cromdale House erwartete, musste ich meine knappen Ersparnisse zusammenhalten. Meine Vermutung bestätigte sich zehn Minuten später, als ein Mädchen mit einem Krug heißem Wasser das Zimmer betrat.
»Sie möchten sich sicher frisch machen, Miss. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen auch ein Bad richten. Das kostet dann zwei Schillinge extra.«
Ich versicherte, das Wasser würde ausreichend sein, und erkundigte mich nach dem Abendessen.
»Ab halb neun im Speisezimmer«, antwortete das Mädchen. »Wenn Sie aber lieber in Ihrem Zimmer speisen wollen, kann ich Ihnen das Essen auch heraufbringen.«
Ich dankte und erwiderte, dass ich später herunterkommen würde.
So gut es ging, wusch ich mich und richtete mein Haar. Dann legte ich mich auf das Bett, um mich ein paar Minuten auszuruhen. Als ich erwachte, war es bereits nach acht Uhr! Ich hatte mehrere Stunden tief und fest geschlafen, fühlte mich aber dadurch erfrischt. Zudem gab mein Magen so laute Geräusche von sich, dass ich meinte, man könnte es bis hinunter in die Gaststube hören. Ich beschloss, mein gutes Sonntagskleid mit dem Spitzenkragen anzuziehen. Warum nicht, dachte ich. Obwohl das Hotel zur Mittelklasse zählte, konnte es nicht schaden, sich zum Essen umzukleiden. Danach richtete ich erneut mein widerspenstiges Haar, das durch das Liegen durcheinander geraten war, und ging in den Speisesaal hinab, in dem zu meiner Überraschung reger Betrieb herrschte. Das Mädchen von vorhin führte mich zu einem einzelnen Tisch direkt neben dem Kamin, in dem ein anheimelndes Feuer brannte. Ich wählte aus der Tageskarte auf der Tafel als Suppe eine Scotch Broth und als Hauptgang Lachs mit Kartoffeln und verschiedenem Gemüse. Dazu bestellte ich eine Limonade. Bei den Düften, die aus der Küche in den Raum drangen, lief mir das Wasser im Mund zusammen. Mir war gerade die kräftige, wohlschmeckende Suppe serviert worden, als die Hotelbesitzerin an meinen Tisch trat.
»Entschuldigen Sie bitte, Miss. Würden Sie Ihren Tisch mit einem weiteren Gast teilen? Wir haben heute Abend einen unerwarteten Andrang im Restaurant.«
Ich blickte auf und direkt in zwei eisblaue Augen. Das Verwunderlichste daran war, dass sie von einem Kranz dichter, schwarzer Wimpern umgeben waren. Die Augen sahen mich spöttisch, ja beinahe herausfordernd an und schienen direkt auf den Grund meiner Seele zu blicken. Nie zuvor hatte ich einen solch intensiven Blick bei einem anderem Menschen gesehen! Ich murmelte meine Zustimmung und ergriff die muskulöse, zugleich schlanke Männerhand. Obwohl die Berührung weniger als eine Sekunde dauerte, fuhr ein warmer Strom durch meinen Körper.
»Das ist sehr freundlich von Ihnen. Mein Name ist MacGinny. Harrison MacGinny«, sagte der Mann, der mich sicher um einen Kopf überragte. Dabei war ich alles andere als kleingewachsen.
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