Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)
wir nicht noch mal ganz von vorne anfangen, Glenda? Wegen mir brauchen Sie nicht zu gehen.«
Sie hob den Kopf und sah mir direkt in die Augen.
»Aber wegen mir, Mylady. Ganz alleine wegen mir. Hier wird sich bald vieles ändern, und ich möchte dabei nicht zusehen.«
Glenda drehte mir den Rücken zu, und ich spürte, dass es keinen Sinn hatte, weiter mit ihr zu sprechen.
Der Gerichtssaal in Aberdeen unterschied sich von dem Nebenzimmer in Inverness nicht nur durch seine Größe. War meine damalige Angelegenheit so unwichtig gewesen, dass kein öffentliches Interesse bestanden hatte, so drängten sich jetzt rund fünfzig Zuschauer in dem hohen Raum mit runden Bogenfenstern. Der Richter und seine Beisitzer saßen auf erhöhten Plätzen hinter einer Barriere, der Stuhl für die Angeklagten stand in der Mitte. Es überraschte mich nicht, unter den Anwesenden Lady Ardwell zu erkennen, deren Prozess erst in zwei Wochen zur Verhandlung kommen würde.
Die Hauptanklagepunkte gegen Glenda waren die Vergehen der Erpressung und Urkundenfälschung. Auf meine Fürbitte hin hatte sich Mr. Grampson bereit erklärt, ihre Verteidigung zu übernehmen, obwohl er meine Beweggründe nicht verstand. Aber er wusste auch nicht, dass Harrison MacGinny und ich verlobt waren. Ich hielt es für besser, dies dem Gericht zu verschweigen. In einem langen Vorgespräch mit dem Anwalt hatte ich ihn gebeten, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um Glenda das Gefängnis zu ersparen. Gemeinsam hatten wir einen Plan erarbeitet, der vielleicht erfolgreich sein könnte.
Nach den üblichen Formalitäten folgte die Verlesung der Anklagepunkte. Ich sah zu Harrison rüber, der mit versteinerten Zügen neben Violet im Zuschauerrang saß. Ihrem Gesichtsausdruck nach bekümmerte es sie nicht sonderlich, dass ihre eigene Mutter vor Gericht stand. Violets schräg stehende Augen schweiften interessiert über die Menschen. Sie hakte sich bei Harrison unter und legte ihren Kopf an seine Schulter. Ein heißer Strahl von Eifersucht durchfuhr mein Herz, dann sagte ich mir aber, dass es keinen Grund gab, auf die Schwester von Harrison eifersüchtig zu sein.
Auf Anraten von Mr. Grampson äußerte sich Glenda MacGinny nicht zu den Vorwürfen. Sie schwieg und hielt den Kopf gesenkt. Selbst als Lady Ardwell ihre Aussage wiederholte, von Glenda zu der Verleumdung gezwungen worden zu sein, zeigte Glenda keine Regung. Immer wieder fing ich Harrisons Blick auf, in dem es unruhig flackerte. Ich zwinkerte ihm aufmunternd zu. Nach ungefähr einer Stunde wurde ich in den Zeugenstand gerufen. Langsam hinkte ich in die Mitte und hörte die eine oder andere Bemerkung aus dem Zuschauerraum:
»Ach je, die ist ja behindert!«
»Hast du gesehen, wie sie hinkt? Das arme Mädchen!«
»Beinahe hätte sie auch noch ihr Heim verloren!«
Ich straffte die Schultern und drehte mich nicht um. Mit fester Stimme gab ich meine Personalien zu Protokoll, dann fragte mich der Richter:
»In welcher Beziehung stehen Sie zu der Angeklagten?«
Durch Mr. Grampson vorgewarnt, hatte ich die Frage erwartet und konnte ruhig antworten:
»Glenda MacGinny ist als Haushälterin in Cromdale House beschäftigt und eine ausgezeichnete Kraft. Ich selbst wäre nicht in der Lage, ohne ihre Hilfe ein solch großes Haus zu führen. Sie diente zuvor meinem Großvater, der mit ihrer Arbeit ebenfalls sehr zufrieden war.«
Ein Raunen ging durch die Reihen. Niemand hatte erwartet, dass ich an Glenda auch nur ein gutes Haar lassen würde. Zum ersten Mal ruckte Glendas Kopf interessiert nach oben. Unsere Blicke trafen sich kurz, in ihrem stand grenzenlose Verwunderung. Auch der Richter runzelte die Stirn.
»Wie erklären Sie es sich dann, Lady MacHardy, dass die Angeklagte eine solche Intrige gegen Sie inszenierte?«
Ich hob die Schultern und schenkte dem Richter ein wehmütiges Lächeln.
»Euer Ehren, Sie müssen wissen, dass Glenda MacGinny seit vielen Jahren Witwe ist und es nie leicht im Leben gehabt hat. In Cromdale fand sie ein Heim für sich und ihren Sohn. Durch ein tragisches Missverständnis, an dem ich nicht ganz unschuldig bin, glaubte sie, sie müsse das Haus verlassen. Wo, Euer Ehren, hätte eine Frau in ihrem Alter eine vergleichbare Stellung gefunden? Sie handelte einfach aus Angst.«
»Ach? Und was war das für ein Missverständnis?«
Ich seufzte und senkte beschämt den Blick.
»Nun, ich war mir nicht sicher, ob ich mein Erbe behalten sollte. Wie Sie wissen, stamme ich aus London, und die Vorstellung, den
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