Der Schatz von Dongo
sehen, und weder Bis noch Giorgio waren
in ihren Zimmern. Giorgios Koffer stand da, deswegen wußte ich, daß er
zurückgekommen sein mußte. Bis' Koffer fanden wir ebenfalls in seinem
Zimmer, ein Zeichen, daß er noch nicht abgereist war.
Laut nach den beiden Freunden rufend, öffneten wir alle Türen
im Haus, bis ich sie schließlich in Dans Zimmer fand. Giorgio lag auf
dem kleinen Läufer am Fuß des Bettes – tot, den Kopf in einem
unnatürlichen Winkel verdreht. Bis lag in der Ecke, sein Gesicht war
übel zerschlagen, fürchterlich zugerichtet, aber er lebte wenigstens.
Das Zimmer war total verwüstet. Wer immer die Täter gewesen waren, sie
hatten kein leichtes Spiel mit Giorgio gehabt. Wir trugen Bis in sein
Zimmer hinüber und legten ihn dort aufs Bett. Julietta kümmerte sich um
ihn, während ich wieder zu Giorgio zurückkehrte, um ihn genau zu
untersuchen.
Sein Hals war gebrochen, an Kehle und Gesicht hatte er
blutunterlaufene Stellen. Seine Hände waren geschwollen und
blutverschmiert. Der oder die Angreifer mußten also deutlich sichtbare
Spuren des Kampfes tragen.
Ich hob ihn auf und legte ihn aufs Bett. Er wog nur leicht in
meinen Armen und wirkte im Tod viel kleiner als im Leben. Ich schob
seinen Kopf auf dem Kissen zurecht, damit man nicht merkte, daß er das
Genick gebrochen hatte. Eines seiner Augen stand etwas offen, aber es
wollte sich einfach nicht schließen lassen.
Ich ordnete ihm Hemd und Jackett. Er sah so aus, als müßte er
gleich wieder aufwachen. Ich durchsuchte seine Taschen, fand aber
nichts, was mir einen Anhaltspunkt über den Erfolg seiner Fahrt nach
Lugano gegeben hätte. Auch in seinem Koffer entdeckte ich weder einen
Hinweis auf das Bankkonto noch eine Mitteilung des Buchmachers in
London.
Du warst mir ein guter Freund, Giorgio. Ich habe dich geliebt.
Wer wird jetzt deinen Platz einnehmen? Ich hatte gedacht, wir könnten
reich werden und uns des Lebens freuen. Und wie hättest du es genossen,
mit dem vielen Geld all deine gerissenen Spielchen zu spielen! Und was
wird aus Lia, die fast deine Frau geworden wäre? Was soll ich ihr
sagen? Was für ein teuflisches Ende für dich! Nun, hoffentlich hast du
eine gute Reise. Ich bin ein Scheißkerl, daß ich dich da hineingezogen
habe. Du wirst mir fehlen, Giorgio. Du wirst betrauert
werden – von mir.
Ich zog seinen Glücksbringer aus der Jacke – die
russische Tabakmünze von der Hure in Palermo, die ihn geliebt
hatte – und steckte sie in seine Hemdtasche. Er hatte mir sein
Glück gegeben, wo die Reise auch hingehen mochte. Julietta rief nach
mir. Ein letztes Mal noch versuchte ich Giorgios Auge zu schließen,
dann ging ich über den Flur zu ihr.
Bis hatte das Bewußtsein wiedererlangt, aber
er hatte schreckliche Kopfschmerzen und konnte kaum sprechen. Giorgio,
so sagte er, sei gegen Mittag in die Villa gekommen. Bis war zu ihm
aufs Zimmer gegangen, um ihn zu begrüßen. Sie hatten erst wenige Worte
gewechselt, als sie im Flur Geräusche hörten. Sie gingen nachsehen und
kamen dabei an Dans Zimmer. Bis ging zuerst hinein, und er war kaum
durch die Tür getreten, da traf ihn ein Schlag auf den Kopf, der ihn
betäubte. Trotzdem konnte er sich noch wehren. Er hatte den Eindruck,
daß es sich um zwei Männer handelte, aber der erste Schlag hatte ihm so
zugesetzt, daß er alles nur noch verschwommen wahrnahm.
Konnte er die Angreifer beschreiben?
Eigentlich nicht. Alles verschwommen. Nur eine vage Erinnerung
daran, daß er ins Gesicht und in den Magen geschlagen worden
war … Alles so furchtbar schnell … Keine deutliche
Erinnerung … Kampf … Er hatte ein paar Schwinger
landen können … ziellos … Dann eine grelle Explosion
vor beiden Augen und aus.
Was war mit Giorgio?
Keine Ahnung. Vermutlich hatte er sich ebenfalls gewehrt, aber
Bis war zu sehr mit seiner eigenen Verteidigung beschäftigt gewesen, um
noch auf Giorgio achten zu können.
Ich sagte Bis, daß Giorgio tot sei.
Es traf ihn schwer.
Was war mit den Hausangestellten, den beiden Mädchen? Waren
sie noch im Haus?
Ja, schon. Soweit Bis wußte.
Hatte Giorgio ihm etwas von Lugano erzählt, ihm vielleicht
etwas gegeben?
Nein. Keine Gelegenheit. Hatten kaum guten Tag gesagt, als sie
das Geräusch im Flur hörten.
Julietta fand die Mädchen: eingeschlossen im Keller. Sie
hatten von zehn Uhr morgens an gewaschen. Als sie wieder nach oben
gehen wollten, hatten sie zu ihrem Erstaunen und Schrecken
festgestellt, daß die Tür verschlossen war. Sie hatten
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