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Der Schatz von Dongo

Der Schatz von Dongo

Titel: Der Schatz von Dongo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.E. Hotchner
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sagt, daß das die kleine
Via ist, die heute Sindaco Calli heißt, das war der Bürgermeister
Calli, der Bürgermeister von Dongo, der verschwunden ist, und diese
Straße hieß früher Squassoni. Also, Paulo, wir werden wohl demnächst
einen kleinen Spaziergang zur Via Sindaco Calli machen, wie?«
    »Du weißt, daß ich den alten Benfatto schon mal nach der
Bezeichnung Squassoni gefragt habe und daß er mich einfach
verständnislos angestarrt hat, nicht wahr?«
    »Aber ja, Baby. Ich glaube, er wollte es auch gar nicht sagen,
aber er war so voll Strega … Weißt du, ich glaube, er wird
sich gar nicht mehr daran erinnern, daß er es mir gesagt hat, denn
ungefähr zehn Sekunden später rutschte er endgültig vom Stuhl. Als ich
zwei Stunden später weg bin, lag er noch immer unter dem Tisch und
schlief tief und fest. Junge, diese Lia, bei der ist einem, als fiele
ein hungriger Harem über einen her. Weißt du, Paulo, ich habe Erfahrung
mit Frauen, das weißt du doch, nicht? So viele Erfahrungen wie Blumen
auf der Spanischen Treppe. Aber die da … O Gott, Baby, die ist
wie die Sixtinische Kapelle!«
    Die frühere Via Squassoni war kurz. Es gab
höchstens zwei oder drei kleine, unbedeutende Läden oder Werkstätten
da: einen Blechschmied, eine Kräuterhandlung, einen Papier- und
Tabakladen. Nur ein Geschäft war erwähnenswert: der einzige
Schlachterladen der Stadt. Außerdem lag hier in der Straße das kleinere
der beiden Kinos von Dongo, das ›Il Reggia‹: Klappstühle auf dem
Betonboden einer ehemaligen Fiat-Reparaturwerkstatt. Von diesen
Etablissements datierte nur eines bis in das Jahr 1945
zurück – die Schlachterei daher setzten wir an diesem Punkt
mit unseren Nachforschungen an. Und sollten sie, wie sich dann
herausstellte, auch an diesem Punkt beenden.
    Die Schlachterei hatte sich seit Generationen von einem Guisti
auf den anderen vererbt. Augenblicklich war sie im Besitz von Rico
Guisti, dessen nunmehr verblichener Vater im Jahre 1945 der Besitzer
gewesen war. Ich verwickelte den jungen Mann in ein Gespräch über Dongo
und über die Situation bei Kriegsende. Rico, gesprächig und sehr
sympathisch, ließ angesichts unseres Interesses an jener Zeit kein
bißchen Neugier erkennen und schien sich über die Fragen nach seinem
Geschäft und den damaligen Umständen nur zu freuen. Er berichtete uns,
daß er 1945 elf Jahre alt gewesen sei und schon als Lehrling im Laden
gearbeitet habe.
    Rico konnte sich gut an die Menschen und Ereignisse jener Zeit
erinnern, er wußte noch genau, wie knapp das Fleisch gegen Kriegsende
gewesen war. Eines Tages jedoch, ungefähr zu der Zeit, nach der wir ihn
fragten, seien plötzlich Tierkadaver eingetroffen. Die Leute, die diese
Kadaver brachten, waren aber nicht die üblichen Lieferanten. Einige der
Kadaver wurden für den Verkauf im Laden verarbeitet, andere wurden, wie
Rico erzählte, von seinem Vater auf einen Karren geladen und am Tag
nach der Lieferung abtransportiert. Es habe mehrere Lieferungen
gegeben, und jedesmal seien einige der geschlachteten Tiere am Tag nach
der Lieferung von seinem Vater weggeschafft worden. Als Rico den Vater
fragte, wohin er sie bringe, erhielt er zur Antwort, er habe sie an
einen befreundeten Kollegen in Menaggio verkauft.
    »Wissen Sie noch, wie die Männer aussahen, die die Kadaver
brachten?«
    »Es waren zwei. An einen erinnere ich mich sehr gut: er war
groß und dünn, ein richtiger Gentleman. Ganz anders als die Männer, die
sonst immer das Fleisch lieferten. Ich hielt ihn für einen Grafen oder
so. Wenn ich jetzt zurückdenke, dann war er wohl ein bißchen geziert,
wenn Sie wissen, was ich meine. Aber als Junge hatte ich noch keine
Ahnung von diesen Dingen.«
    »Und der andere?«
    »Ach, der gehörte zu der Sorte, die ich gut kannte. Bullig. Er
trug die geschlachteten Tiere herein. Nur der Elegante verhandelte mit
meinem Vater. Ich bin ganz sicher, daß er niemals mit Hand anlegte.«
    »Erinnern Sie sich an irgend etwas Besonders an dem bulligen
Mann? Irgendeine Kleinigkeit?«
    »Warten Sie mal … Ja, eines: er hatte eine Narbe auf
der Wange, wie diese Deutschen die Säbelnarben haben. Aber das hatten
viele Deutsche, das war nichts Ungewöhnliches. Nein, sonst kann ich
mich an nichts erinnern. Es ist einfach zu lange her.«
    »War dieser Mann ein Deutscher?«
    »Das weiß ich nicht. Jedenfalls sprach er perfekt Italienisch,
und damals war für mich jeder, der gutes Italienisch sprach, ein
Italiener.«
    »Sie sagten, daß die Männer

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