Der Schatz von Dongo
nur dreimal kamen?«
»Ich glaube. Ganz sicher bin ich nicht. Möglicherweise sind
sie auch mal gekommen, als ich nicht da war. Ich mußte manchmal Waren
austragen.«
»Erinnern Sie sich an die Namen der Männer, vor allem an den
des großen, dünnen?«
»Nein. Ich glaube, Namen habe ich nie gehört.«
Nun, einen Namen hätte ich ihm schon nennen können: Luigi
Hoffmann. Und wer der andere war, davon hatte ich eine recht gute
Vorstellung. Die Antwort auf die Frage, was dieses Spielchen mit den
herumgeschleppten Schlachttieren zu bedeuten hatte, war auch nicht
schwer zu finden.
»Deswegen also fand Signora Gattamelata ein Medaillon von
Clara Petacci in ihrem Essen«, sagte Giorgio, als wir zur Villa di
Cielo zurückmarschierten.
»Genau. Jetzt wissen wir wenigstens, wie man einen Teil des
Schatzes abtransportiert hat. Aber mal angenommen, die Tiere, die
Schlachter Guisti fortbrachte, waren tatsächlich diejenigen, in denen
der Schatz verborgen war – wohin hat er sie dann gebracht?
Hoffmann stand offenbar unter Beobachtung, deswegen brauchte er einen
Strohmann. Der Schlachter Guisti wußte möglicherweise überhaupt nichts
davon, daß diese Kadaver etwas Besonderes enthielten, selbst wenn es
eine große Geheimnistuerei um diese Transaktionen gab. Denn schließlich
handelte es sich um Schwarzmarktfleisch, und Guisti mag gegen
Überlassung der anderen Schlachttiere mitgemacht haben. Wo immer er sie
jedoch hingebracht hat, zu einem befreundeten Kollegen in Menaggio auf
keinen Fall, daran gibt es wohl keinen Zweifel.«
»Was ist mit Signora Gattamelatas Fleischgericht?«
»Das war vermutlich ein Versehen. Vielleicht wurde eines der
Tiere bearbeitet, nachdem man den Schatz herausgenommen hatte, und
dieses Schmuckstück war aus dem Behälter gerutscht und hatte sich
irgendwo im Fleisch festgesetzt. Man müßte sich sonst fragen, warum
kein weiterer Schmuck auf diese Weise ans Licht gekommen ist.«
»Weißt du, Paulo, je mehr wir herumhorchen, für desto
wahrscheinlicher halte ich es, daß alle Bewohner dieser Gegend in die
Geschichte verwickelt sind.«
»Na ja, am Rande sicher. Man hat sie in Kleinigkeiten
eingeweiht. Aber daß irgend jemand dabei einen ganz großen Rebbach
gemacht hat, das glaube ich kaum.«
»Irgendwo muß aber jemand ganz schön kassiert haben.«
»O ja. Irgend jemand gewiß.«
»Du meinst, daß dieser Jemand auch das Schwein ist, das dich
in die Falle gelockt hat?«
»Mag sein.« Wir legten den Rest des Rückwegs zur Villa
schweigend zurück, und ich dachte über diese Frage nach. Ich dachte
sehr intensiv darüber nach. Und merkte erstaunt, daß ich dabei die
Fäuste so fest geschlossen hielt, daß meine Nägel sich tief in meiner
Handfläche eingruben. Und dann fiel mir das Versprechen ein, das ich
Gibio gegeben hatte. Schnell rieb ich die Handflächen aneinander, um
sie zu entkrampfen, und gab mir Mühe, meine Gedanken dahin
zurückzuzwingen, wohin sie gehörten.
Am selben Abend saß ich vor dem Essen in
meinem Zimmer, als unsere Haushälterin Rosanna heraufkam und meldete,
unten sei eine Signorina Angelo, die mit mir sprechen wolle. Der Name
war mir in keiner Weise geläufig.
Sie stand am Fenster und drehte mir den Rücken zu, aber ich
erkannte sie dennoch sofort. Wir lächelten einander an, und sie sagte,
sie hoffe, mich nicht zu stören. Es war gerade jene frühe Abendstunde,
kurz vor den Cocktails, da niemand unten war. Ted hielt sich noch in
London auf, Dan war in Rom, und so bewohnten außer mir nur Bis und
Giorgio das Haus. Wir machten einen Dämmerspaziergang über die weißen
Kieswege des Gartens, die sich durch geometrisch geschnittene
Ligusterhecken wanden.
»Mir ist etwas eingefallen, das Ihnen vielleicht helfen kann.
Deswegen bin ich gekommen. Zuvor aber mußte ich entscheiden, ob ich
Ihnen überhaupt helfen will. Ob ich Ihnen glaube.
Anfangs, bei unserem ersten Treffen, konnte ich das noch nicht. In
Gedanken aber identifiziere ich Sie mit meinem Vater, und das ist für
mich etwas so Ausschlaggebendes, daß ich mich zwang, Sie wiederzusehen.
Bei jener zweiten Zusammenkunft, als Sie mir erzählten, was wirklich
geschehen ist, als Sie über sich selber und Ihre Gefühle
sprachen … Mein Gott, Sie haben es sicher auch schon erlebt,
wie es ist, wenn man einen Film oder ein Theaterstück sieht. Wenn es
gut war, wirkt es am folgenden Tag noch weit stärker nach, und man muß
immer wieder an bestimmte Dialogstellen, Szenen und Personen denken.
Genauso ging es mir mit Ihnen,
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