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Der Schatz von Dongo

Der Schatz von Dongo

Titel: Der Schatz von Dongo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.E. Hotchner
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noch bekreuzigte sie sich. Sie kniete einfach an
einem der Seitenaltäre nieder und legte den Kopf in die Hände.
    »Sie sind sehr religiös, nicht wahr?«
    »Nein. Ganz und gar nicht. Ich bin nicht religiös, aber ich
bete gern. Sie haben gesehen, daß ich vor der Christusfigur nicht das
Knie gebeugt habe, nicht wahr?«
    »Aber niederknien und beten, das ist doch religiös.«
    »O nein! Ich bete nicht zu einer bestimmten Figur, wie Jesus
oder Jehova, ich kreiere nur gern in meinem Innern eine Kirche und
meditiere. Kirchen sind schön. Nur Religionen mag ich nicht.«
    Als wir an unsere Zimmer kamen, schloß ich
ihre Tür auf, und dann blieben wir einen kurzen, beklemmenden
Augenblick lang unentschlossen im Korridor stehen. Ich fühlte mich ihr
sehr, sehr nahe. Sie war ein Mensch, den ich schon lange kannte. Mit
einer leichten Berührung legte ich ihr die Hand auf den bloßen Arm. Sie
lächelte mich an. Ich sehnte mich verzweifelt danach, sie in die Arme
zu nehmen und zu küssen, aber mein aufsteigendes Verlangen brachte auch
Furcht.
    »Darf ich Sie sprechen, Julietta? Ich muß Ihnen etwas sagen.«
    »Sie meinen – sprechen?« Ihr
Lächeln war ironisch geworden.
    Ich lachte. »Jawohl, sprechen.«
    Sie zog die Schuhe aus und setzte sich, den Rücken an die
Stirnwand gelehnt, auf ihr Bett. »Nehmen Sie den Großvatersessel«,
sagte sie. Ich lockerte meine Krawatte, zog das Jackett aus und setzte
mich ihr gegenüber in den einzigen Sessel des Zimmers.
    »Ich möchte Ihnen etwas sagen«, begann ich. »Nach der
vergangenen Nacht …« Aber das wurde nichts, wenn ich dasaß und
sie ansah, so wunderschön auf ihrem Kissenthron, mit ihrem Haar, das
weich die Wangen umspielte, ein Bein unter den Körper gezogen, die
Hände um das andere Knie gefaltet, klein und blaß im Schein der
Nachttischlampe. Ich stand auf, ging ans Fenster und beobachtete den
Verkehr auf der Via Fatebenefratelli. Ich kann nicht, dachte ich. Ich
werde es nie fertigbringen. Warum sollte ich auch?
    »Ist es so schwer?« fragte sie.
    »Ja«, antwortete ich, ohne mich vom Fenster abzuwenden, »es
ist so schwer.«
    »Nun, warum wollen Sie dann …«
    »Weil ich muß! Es gibt Dinge, die man einfach tun muß!« Halt!
Zu stark. Etwas mehr moderato. Aber nur weiter, und
keine Nervosität. Ich hatte mich zu ihr umgedreht, hockte halb auf der
Fensterbank. Durch die Ritzen kam frische Luft, die mir das Hinterteil
kühlte. »Ich fühle mich sehr zu Ihnen hingezogen. Das nur vorweg.
Damals, beim erstenmal, als Sie ins Café kamen … Es war
Wahnsinn von mir, ich mußte doch annehmen, Sie würden sofort
davonlaufen, wenn ich Ihnen sagte, wer ich bin … Natürlich war es Wahnsinn, aber Sie waren von einer ganz bestimmten
Schönheit … Ich möchte mich nicht näher darüber auslassen. Sie
wissen schon, was ich sagen will. Jeder Mann träumt von der Frau, doch mein Traum war tiefer und länger als die meisten anderen.
Das ist es aber nicht, was ich Ihnen sagen wollte. Was Sie erfahren
müssen, betrifft mich selber. Ich bin … nicht normal. Ich
meine, als Mann … mit einer Frau. Früher war ich es. Aber
irgend etwas ist mit mir geschehen. Die langen Jahre im
Zuchthaus … Es ist sehr schwer, darüber zu sprechen, aber es
muß sein, es wird mir helfen, ich will mir nichts vormachen, und Ihnen
auch nicht. Es ist nicht, als hätte ich im Zuchthaus homosexuelle
Beziehungen gehabt oder als möchte ich keine Frauen mehr, es ist nur,
daß ich … nicht mehr kann. Das haben sie
mir genommen, das auch, zu allem anderen, was sie mir sonst noch
genommen haben. Und trotzdem begehre ich Sie. Letzte Nacht, als ich Sie
neben mir spürte, als Sie in meinen Armen schliefen … Können
Sie sich vorstellen, was das für einen Mann bedeutet, der so viele
Jahre lang nicht mehr mit einer Frau in den Armen geschlafen hat? Ich
habe es seit meiner Entlassung mit zwei Frauen versucht, attraktiven
Frauen, die ich begehrte und die mich begehrten, und es war grauenhaft.
Ich darf weder mich noch eine Frau zwingen, so etwas noch einmal
durchzumachen. Deswegen erzähle ich Ihnen dies. Zwinge ich mich, Ihnen dies zu erzählen. Um mich – und Sie –
vor dieser Agonie zu bewahren. Ich hoffe, es klingt nicht nach
Selbstmitleid. Das möchte ich unter allen Umständen vermeiden. Gewiß,
ich ärgere mich darüber. Aber Selbstmitleid ist eine so sinnlose Sache.
Ich hasse es. Ich hasse alles. Ich möchte lieben, ich sehne mich so
verdammt danach, lieben zu können, und dabei ist alles, was ich

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