Der Schatz von Njinjo (German Edition)
des Toten kein tanzanisches ist, sondern den mitteleuropäischen DIN-Normen entspricht: 21,0 x 29,7 cm für die Texte, eine farbige Karte sogar in A3 quer. Gut möglich, dass der muzungu die meisten Kopien von zu Hause mitgebracht hat, bei den wenigen im englischen Imperial-Format aber, eine Karte sogar im großen Imperial folio, dürfte es sich um Kopien handeln, die in Tanzania gemacht wurden. Wenn das in Dar’ geschah, lässt sich herausbekommen, wo der Deutsche sie hat herstellen lassen und warum. Wilfrem Fundikira ist mächtig stolz auf seine detektivischen Kenntnisse aus dem Abendkurs der BBC.
Fast alle Kopien enthalten getippte Zeilen in gewohnten Buchstaben, auch einige Karten sind darunter, nur wenig Handschriftliches, nichts Arabisches. Manche Blätter sind in Englisch, die meisten aber in einer Sprache, von der Fundikira kein Wort versteht: „Das wird deutsch sein“, befindet er. Nachdem er alles dreimal durchwühlt hat, ordnet Makaïdis Mann die Blätter so gut es geht chronologisch und legt sie zur Seite. Die nächsten Stunden verbringt er mit Besorgungen und einigen kleinen Geschäften im Außendienst. Bevor er am Abend dem Superintendent Bericht erstattet, überfliegt Fundikira noch kurz die Vernehmungsprotokolle von gestern. Dann geht er zu Makaïdi und legt ihm Schüttes Papiere vor.
„Chef, es ist kurz vor eins, außerdem war gestern Silvester, können wir Morgen drüber reden?“
„Du bleibst gefälligst länger hier als ich!“ Makaïdi, der den Nachmittag über eine Gasfirma, die vor der Küste neue Schürfrechte erwarb, in Sachen Demonstrantenschutz beriet, sitzt seit zwölf Minuten auf seinem Stuhl und hat nicht vor, seine Anwesenheit noch lange auszudehnen. Fürs Arbeiten hat er schließlich Untergebene.
„Chef, ich muss aber nach Hause. Ich hab den Mais fürs Abendessen in der Tasche.“
„Für welches Essen? Wann hast du das besorgt, hä? Mitten in der Arbeitszeit natürlich!“
„Aber Chef, wann denn sonst?“ Fundikira wird ein wenig mulmig, obwohl er weiß, dass Makaïdi Verständnis für seine Leute hat. Darauf schließlich baut das ganze System: Täglich zwei, drei Stunden halbwegs loyales Arbeiten, den Rest der Zeit für sich selber sorgen. Anders geht es nicht bei Hundert-Euro-Gehältern, erst recht nicht bei der Polizei.
„Zeig mal deine Beute vor!“ Fundikira erschrickt: Was meint der bloß? Das Diktiergerät, das bisschen Geld? „Was hast du bei dir?“ Makaïdi, der genauestens Buch darüber führt, welchem seiner Assis er wann welches Privileg gewährt und wem er wann jemals welchen Betrag zusteckte, ahnt sehr wohl, dass sein Assistent den Keller nicht mit leerer Hand verließ und lässt den Inspektor noch ein bisschen zappeln. Dann endlich wird er gnädig. „Was ist das für ein Haufen Papier da unter deinem Arm?“
Erleichtert atmet Fundikira auf. „Zweiundzwanzig verschiedene Kopien aus dem Besitz des Toten, manche zwei-, die meisten einseitig bedruckt. Dreizehn davon auf deutsch, nehm ich jedenfalls an, drei auf englisch, vier Karten. Bei zweien bin ich mir noch nicht ganz sicher, in welcher Sprache sie verfasst sind.“
„Dreizehn Texte auf deutsch? Ist das bewiesen?“
„Ziemlich sicher, Chef. Oder kennen sie eine andere Sprache, in der es dieses komische Zeichen ‚ß’, mutierte Selbstlaute und viel zu viele Kommas gibt?“ Zum zweiten Mal an diesem ersten Januar schwillt Fundikiras Brust, hat sich das regelmäßige BBC-Gucken im Staats-TV doch endlich mal gelohnt. Er fährt fort: „Das älteste kopierte Dokument stammt, das ist auffällig, offenbar aus dem Jahr 1916, dann folgt eines von 1917, beide handschriftlich, vermutlich vom gleichen Schreiber. Zumindest, wenn ich’s richtig gedeutet habe. Der Rest ist aus den letzten Jahren, teilweise mit imposanten Briefköpfen, von Unis, Museen, den deutschen Konsulaten in Arusha und Zanzibar. Auch in Tanga hatten die mal eins, wussten Sie das? Die alten Texte, vermutlich Briefe, sind wirklich seltsam. Was war denn damals los außer Krieg, Chef?“
„Da haben sie die Askaris verheizt, mehr als 10.000 von denen kamen um! Jeder fünfte desertierte, ...“
„Was Sie sich alles merken, Sup!“
„Nichts war damals so verhasst wie der Söldnerdienst für die Deutschen, der heute so verklärt wird. Dafür haben die sogar Geld in die Hand genommen. Noch bis in die 90er Jahre haben irgendsoeine hellhäutige Konsulwitwe und deutsche Lettow-Vorbeck-Veteranen jährlich Geld für die Überlebenden
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