Der Schatz von Njinjo (German Edition)
solchen in Uniform, ist sie Schlimmeres gewohnt. Und ihre Lektion hat sie gelernt: Nie wieder wird sie die Polizei informieren. Mag ihr der Chef da noch so drohen.
Bevor Baregu mit leeren Händen ins Präsidium zurückstapft, will er wenigstens noch einmal ins Zimmer des Toten schauen. Vielleicht gibt es dort etwas, was sie gestern in der Hektik übersehen haben. Vor Schuttes Zimmertür verfällt Baregu zurück ins laute Fluchen: Das Siegel, das er eigenhändig über den Türspalt klebte, ist beschädigt. Nun wird der Sergeant richtig sauer und stürmt durchs Treppenhaus zurück zur Rezeption.
„Wer war das?“, schreit er die Rezeptionistin an. „Wer wagt es, unsere Siegel zu zerreißen?!“
„Wie bitte? Wovon reden sie überhaupt?“
„Die Tür zum Zimmer des Toten wurde aufgebrochen. Haben sie keine Idee, wer das gewesen ist?“ Baregus Brüllen ist bis auf die Straße zu hören.
„Ja, vielleicht dieser muzungu , nach dem sie mich vorhin fragten. Haben ihnen meine Kolleginnen nicht von ihm erzählt? Der war vorhin kurz hier, müsste ihnen fast begegnet sein. Er wolle noch mal schnell nach seinen Sachen schauen, hat er gesagt. Davon konnte ich ihn schlecht abhalten.“
„Das darf doch nicht wahr sein! Wann war das?“
„Na, so ungefähr vor eine Stunde, kurz bevor sie kamen.“
Der große Blonde aus der Bar etwa? Bevor Baregu vor Wut platzt, verlangt er den Direktor zu sprechen. Hotelchef Kambona zuckt erst zusammen, dann versucht er sich herauszureden: Er selbst sei seit Silvester nicht mehr im Haus gewesen, seinem Personal werde er gern ins Gewissen reden, mehr aber könne er ja wohl nicht tun. Wenn Baregu ihn nun bitte einfach arbeiten ließe? Nach Baregus nächstem Wutausbruch weigert sich der Hotelboss, mit der Hilfskraft seines „persönlichen Freundes Makaïdi“, weiter zu kommunizieren. Selbst ein Tobsuchtsanfall des Sergeanten bringt ihn davon nicht ab. Stattdessen greift er nach seinem mobile , um sich beim Superintendent zu beschweren.
Einen Moment lang steht Baregu ohnmächtig vor Kambona, diesem ausgefuchsten Spieler. Dann weiß er ganz spontan: Er will den Hotelchef winseln sehen. Ruck, zuck hat er ihm die Hände verdreht und legt ihm Handschellen an, dann sperrt er den gesamten Flur des zweiten Stocks „für polizeiliche Ermittlungen“ und fordert mit Kambonas mobile einen Gefangenentransporter an. Als der drei Stunden später im Präsidium seine Fracht auslädt, sitzen darin sämtliche Gäste und Hotelangestellten, derer Baregu habhaft werden konnte.
Das „Continental“ jedoch ist noch nicht leer. Als sich Baregu zum zweiten Mal auf den Weg zu Schuttes Zimmer macht, kommt ihm im Treppenhaus ein Mann entgegen, auf den die vage Beschreibung der Frau vom Empfang passt: klein, dunkelhäutig, gut gebaut, vielleicht ein Chagga. Baregu kann sein Glück kaum fassen und breitet instinktiv die Arme aus. Doch ehe er sich versieht, senkt der Fremde wie ein Stier den Kopf und ist unter seinen Armen durch. Der Sergeant wird herumgerissen und verliert das Gleichgewicht. Als er sich wieder aufgerappelt hat, sieht er nur noch die Fersen des Fremden am Ende des Flurs. Bevor der groß gewachsene Polizist in Fahrt kommt, hat der Flüchtling bereits zwanzig Meter Vorsprung und ist draußen vorm Hotel. Er rennt links die Nkrumah Street herunter, Baregu schnaufend hinterher.
„Halt! Stop, oder ich schieße!“, schreit der Sergeant, wie er's auf der Polizeischule gelernt hat. Unbeeindruckt rennt der Fremde rüber zur Tankstelle mitten zwischen die Menschen auf dem nahen Platz am Clock-Tower, biegt rechts ein, am Bahnhof vorbei geradewegs aufs Polizeipräsidium zu. Baregu frohlockt, obwohl der Abstand nicht geringer wird. Er reißt die Pistole aus dem Halfter und knallt dreimal in die Luft. Wenn das seine Kollegen dort vorn nicht alarmiert, dann nur noch ein Erdbeben!
Der Wachhabende am Eingang des Präsidiums aber nimmt von den Schüssen keinerlei Notiz. Stattdessen lässt er den vorbeihastenden Flüchtling beinahe unterwürfig ins Gebäude ein. Der Fremde rennt durch das Portal direkt auf die Wache zu. „Hilfe! Ich werde verfolgt! Man schießt auf mich! Verhaften sie den Verrückten!“, schreit er die Dienst habenden Polizisten an. Mittlerweile steht Baregu schweißnass hinter ihm und schickt sich an, dem Flüchtling Handschellen zu verpassen. Blitzschnell kommt ein älterer Schupo hinterm Tresen hervor und nimmt den Sergeanten beim Arm.
„Hey, Nehemiah, hinter wem bist du denn
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