Der Schatz von Njinjo (German Edition)
Mann in Ausgehuniform seinen Weg durch das Foyer, der Petermann unwillkürlich an Ugandas Ex-Diktator Idi Amin Dada erinnert. In dessen Schlepptau folgt ein Sergeant als Pseudo-Adjutant.
Ein Ballsaal des „Serena“ ist belegt von der „Vereinigung der Truthahnzüchter Tanganyikas“, die alle politischen Stürme vor und seit der Unabhängigkeitserklärung überstanden hat. Deren wohlriechende rosa Schinken verbreiten Appetit im gesamten Erdgeschoss. Wenn überhaupt irgendwohin, zieht es Petermann zu ihnen. Doch stattdessen nimmt er den Fahrstuhl und fährt hinauf in sein Zimmer, das sich in nichts unterscheidet von all den anderen „Sheraton“- oder „Serena“-Gemächern, in denen heute weltweit gefeiert wird.
Der Fernseher bietet freie Auswahl zwischen drei Lokalsendern und neun Videoprogrammen, ab Kanal 13 folgen Sexkanäle, die kosten extra. Nach drei Konyagi aus der Minibar schaltet Petermann ab und alles aus. Noch auf dem Sofa überkommt ihn ein todesähnlicher, tiefer Schlaf.
Mitten in der Nacht schreckt er trotzdem plötzlich hoch. Vom Flur her poltert es, fast so, als hätte es geklopft. Als er durch den Türspion schaut, bleibt ihm der Atem weg: Direkt vor seinem Zimmer steht Idi Amin in Uniform und blickt ihm grimmig ins Gesicht. Ganz leise schleicht sich Petermann zurück zur Couch, nur kein Geräusch jetzt, bitte. Adrenalin pulsiert in seinen Adern, erst Stunden später schläft er wieder ein.
Mit dem Aufwachen aber um kurz nach sieben ist er stocknüchtern. Zweihundertdreißig Dollar für eine Nacht auf dem Sofa! In den Ohren rauscht die Klimaanlage und im Kopf Tanzanias Kognak. Was für ein Kater! Als ihm ein Hotelpage trällernd mit einstudiertem „Häppchen nu jeah!“ das Frühstück bringen will, möchte Petermann ihn samt Kaffee und Brötchen am liebsten aus dem Fenster werfen.
Sind die Bullen schon hinter ihm her? Die Polizei besitzt sicher längst eine Personenbeschreibung des „Weißen“, der zwei Tage lang das Zimmer des Toten mit bewohnte und seit dessen Entdeckung verschwunden ist. Soweit, so schlecht. Vielleicht hat sie sogar ein Phantombild des Mannes erstellen lassen, der die Treppe des „Continental“ herunterkam, kurz bevor die Putzfrauen den Alarm auslösten. Petermann möchte am liebsten im Hotelboden versinken und taucht im Pool des Hotels tief unter.
Am Empfang bestätigt man ihm: Niemand hat nach ihm gefragt, seit er gestern eingecheckt hat. Noch ist ihm niemand auf den Fersen, so schwer es ihm auch fällt, daran zu glauben. Alles andere allerdings wäre in einer derart kommunikationsgestörten Millionenstadt wie dieser, wo weder Notruf- noch Taxiservice funktionieren, auch ziemlich unwahrscheinlich. Nichtsdestotrotz: Wer war das dann vor seiner Tür letzte Nacht?
Nur der Einreisestempel in seinem Pass weist darauf hin, dass Petermann bereits im Land war, bevor Finn Schütte starb. Ins Meldebuch des „Serena“ hatte er sich als direkt aus Hamburg kommend mit dem 31. Dezember als Ankunftstag eingetragen. Wenn er seinen Pass vernichten würde – was hoffentlich nicht nötig wird –, gäbe es seinen Namen nur noch auf den Passagierlisten der KLM und auf dem Doppel der Einreiseerklärung, die er am Flughafen abgeben musste. Beide Papiere dürften für die tanzanische Polizei nicht besonders greifbar sein: Das eine steckt irgendwo im KLM-Computer, das andere liegt unsortiert am Flughafen herum. Noch kann Petermann sich sicher fühlen, säße er nicht in einem 230-Dollar-Zimmer, das er sich nicht lange leisten kann.
Heute aber lässt sich nichts Rechtes mehr unternehmen. Die halbe Welt hat Feiertag. Wie diesen Tag aushalten? Vierundzwanzig Stunden abgetaucht im teuersten Hotel der Stadt tatenlos herumsitzen? Aus Dar es Salaam abzuhauen, kommt schlicht noch nicht in Frage. Bevor er von der Bildfläche verschwindet, braucht er zumindest zweierlei: die Golftasche mit dem Metalldetektor und Finns Karte aus dem Staatsarchiv. Ohne diese beiden Sachen sind Finns Informationen über den zu erwartenden Fundort des Familienschatzes wertlos, da hilft auch keine baumgenaue Angabe in irgendeinem Brief.
Was überhaupt steht in den Erinnerungen von Finns Urgroßvater? Petermann liest noch mal, um sich die Worte einzuprägen: „Von der Südostecke des Hauptgebäudes 620 Fuß nach Süden, bis an die Wurzeln eines alten Mangobaums, von dort siebzig Schritte nach Osten, dann nochmals dreißig nach Süden.“ Nicht vielleicht umgekehrt? Stand der Mangobaum im Norden?
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