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Der Schatz von Njinjo (German Edition)

Der Schatz von Njinjo (German Edition)

Titel: Der Schatz von Njinjo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Gleiß
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achtzig Sachen auf einer tiefverstaubten Sandpiste mit klaftertiefen Spurrillen und teichgroßen Löchern. Die kopfschmerzerzeugenden Dieseldämpfe aus dem lecken Motorkasten neben dem Fahrersitz, vom Beifahrer in voller Fahrt ständig frisch mit nachgeschüttetem Getriebeöl genässt, schlagen kaum mehr zu Buche: südtanzanische Moderne 125 Jahre nach Erfindung des Automobils. 
    Irgendwann beginne ich mich zu fragen, ob wir jemals ankommen werden. Mein verletzter Knöchel pocht wie wild. Draußen ist es schon lange duster, mühsam suchen sich die Scheinwerfer des Busses ihren Weg zwischen Bäumen, Palmen und Büschen auf beiden Seiten der Straße. Immer wieder bremst der Fahrer scharf ab, um einem umgestürzten Hindernis oder dem nächsten Riesenschlagloch auszuweichen. Geraten dabei die Räder aus der Spur, neigt sich der Aufbau so stark, dass die Fahrgäste sich instinktiv blitzschnell auf die entgegengesetzte Seite lehnen. 
    Zwei Stunden vor Mitternacht erreichen wir fast unerwartet Nangurukuru, den Dreizehn-Häuser-Treffpunkt westlich Kilwas. Die letzten dreißig Kilometer vergehen wie im Flug, ich kann es kaum fassen: Von hier ab, mitten in der dichtbewaldeten Savanne, führt eine erstklassig asphaltierte Straße an die Küste direkt zum Hafen von Kilwa. 
    Als wir dort eintrudeln, brennt nirgends mehr ein Licht. Ein Ortskundiger führt mich und einige andere Fahrgäste zu einem guest house, dessen Besitzerin er kennt. Es dauert etwas, bis er sie heraus geklopft hat, dann zeigt sie mir schnell eins ihrer Zimmer mit zwei Betten. Macht 1.500 Shilling pro Person, Präservative inklusive. Die würde ich heute Nacht noch nicht mal brauchen, wenn neben mir Majorie und Naomi Campbell gemeinsam liegen würden, so kaputt bin ich. Für zweitausend kriege ich den Raum allein.
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37. Petermann inspiziert die Gegenwart
     
    Petermanns Nebenmann flucht ununterbrochen in der Gegend rum, was allmählich nervt. Als der Deutsche, der kein Wort versteht, irgendwann anfängt, leise abfällige Bemerkungen in sich hinein zu murmeln à la „Kann der nicht mal aufhören mit seinem primitiven Gebrabbel?“, reagiert sein Sitznachbar plötzlich wie losgelöst.
    „Wie? Se reesen oos Deutschland, Ujerumani? “
    Petermann ist total irritiert. Hier, im tiefsten Süden der Fünften Welt einen Tanzanier zu treffen, der ihn mit sächsischem Akzent auf deutsch von der Seite anquatscht, überfordert ihn. Momente lang hält er am Glauben fest, sich verhört zu haben. Dann realisiert er, dass er sich heutzutage nirgends mehr aus der Welt empfehlen kann.
    „Ja, aus einem Dorf bei Hamburg – Jens Petermann. Und Sie?“
    „Aus Dreschden. Aber Schbas oof die Seede, bin oos Lindi. Und sooer wie eene unreefe Tomate, dschuldigen Se, wie eene eengelegte Gurge, nischd wahr?“
    Ein Komiker! Petermann kann sich keinen deutscheren Tanzanier vorstellen und beginnt laut zu lachen. „Pardon, aber eine seltsamere Situation, als Sie in dieser verlassenen Gegend in einem daladala zwischen Mtwara und Lindi zu treffen, kann es ja wohl kaum geben. Wie kommt’s, dass Sie so sächseln?“
    „Oh, in Dreschden hab ich studiert. Schenie ... nee, dschuldigen Se, Inscheniör, nischd wahr? Oh, isch hab misch noch gar nischd eengestellt. Jakaya Ulotu, schdazioniert in Lindi, am Hindern der Weld, so sagen Sie doch, nischd wahr? Een Los ohne Arbeed da irgendwie. Nix gehd, und doch voran. – Aber ...? Sind Sie dieses Gatzentheater beim Busbahnhof eben mitgegommen?“ Ulotu hatte den Kleinbus wie Petermann auf Mtwaras Busbahnhof bestiegen.
    „Ja. Katzentheater nennen Sie das?“ Petermann findet immer mehr Spaß an Ulotus famoser Sprachkunst. „Worum zum Teufel ging’s denn da?“
    „Ach, geschdern Abend haben da Bagaluden, zirga Derrorischden, eenen Grenzposchden angefallen, eenen won den unsrigen. Seeddem spielt die Polizee irre, schiganierd willkürlich einfach Leude. Ziwilischden, nischd wahr?“
    „Sicher. Hab ich auch zu spüren bekommen. Aber was für Terroristen gibt’s denn hier überhaupt?“
    „Oos Moçambique natürlich, geene Dansanier. Bandiden der Renamo, früher großkodzig bekindert von Südafrigas und Civil Rhodes’ Rassisden, die jedsch geener mehr haben will, nischd wahr?“
    „Gab’s Tote?“
    „Sagen se! Fünf dode Polizeïsten!“
    Je länger die Fahrt dauert durch die endlosen, lichten Palmenwälder von Cashew- und Kokos-Pflanzungen, desto genauer erfährt Petermann, was Jakaya Ulotu sauer wie eine Gewürzgurke hat werden lassen.

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