DER SCHAWINSKI CODE – Die Biografie von Roger Schawinski (German Edition)
stürzte: Am Kai wartet Zico, ihr Zuhälter. Das Schicksal nimmt seinen Lauf: In Panik ersticht sie ihren ersten Kunden, einen fetten Juwelier. Sie flieht aus dem Bordell und will in ihr früheres Leben zurückkehren. Doch es gibt kein Entrinnen.
Irgendwie fühlte sich Schawinski von dieser Handlung angesprochen. Schliesslich war ja auch er dabei, seinem Leben eine neue Wendung zu geben.
Wie ein Staatsmann wurde der Newcomer als Geldgeber bei den Dreharbeiten in Buenos Aires empfangen. Fasziniert verfolgte er Stefanies Drama im aufwendig nachgebauten Bordell und die temperamentvollen Tanzszenen im Schlachthof. Nur der Schluss des Films (bei einer Schiesserei kommen alle Protagonisten theatralisch ums Leben) gefiel ihm nicht. Also tippte Schawinski im Hotelzimmer rasch eine neue Version: In seinem Happy-End überlebt Stefanie, und am Schluss steht die Schöne wieder auf dem Dampfer – und hat eine zweite Chance, alles anders zu machen.
«Interessant», murmelte der Regisseur, doch vom finalen Blutbad liess er sich nicht abbringen.
In seinem Enthusiasmus unterschätzte Schawinski die gefährlich anschwellenden Kosten – einmal gaben die Produzenten die Inflation des Pesos schuld, ein anderes Mal schoben sie das schlechte Wetter vor. Als er den über zehn Millionen Dollar teuren Film zum ersten Mal in der Rohfassung sah, wurde ihm schlagartig bewusst: «Es ist ein einziges Desaster!»
Mit einem letzten Funken Hoffnung («Vielleicht hat er ja versteckte Qualitäten») führte Weismann den Streifen Cannes-Festivaldirektor Gilles Jacob vor. Dieser reagierte mit einem mitleidigen Schulterzucken. «Forget it!»
Schawinskis Image als Kino-Wunderkind war dahin. Sofort verwarf er die Hände, als ihm der Schweizer Filmemacher Rolf Lyssy die Rohfassung seiner neusten Komödie mit Matthias Gnädinger präsentierte: «Das will doch niemand sehen!» («Leo Sonnyboy» wurde der erfolgreichste Schweizerfilm des Jahres.) Und als ihn ein Produzent in London anfragte, ob er sich an einem Indianerfilm mit Kevin Costner beteiligen wolle, winkte er hastig ab: Die Zeiten von «Indianerfilmen à la Winnetou» seien endgültig passé. («Dances with Wolves» gehört zu den grössten Kinoerfolgen der achtziger Jahre.)
«Irgendwie habe ich nie ganz geschnallt, wie die Deals laufen», sieht Schawinski heute ein. Die Ernüchterung sei mit der Einsicht gekommen, «dass ich nichts Besseres bin als alle anderen kleinen Filmhändler, die sich von morgen bis abend um den Abfall balgen». Zudem habe sich der Sex-appeal im Filmbusiness auf ein paar Partys beschränkt – und sogar das vielgerühmte Beverly Hilton in Hollywood sei nicht mehr als «ein stierer Kasten».
Nebenbei musste sich Schawinski als Stella-Geschäftsführer um Kinorenovationen kümmern und entscheiden, ob in seinen Sälen Pop-Corn konsumiert werden dürfe oder nicht. Immer deplazierter fühlte er sich im halbseidenen Milieu seines Videovertriebs, wo Actionthriller mit Sylvester Stallone, Michael Dudikoff und Chuck Norris sowie Softpornos mit Olivia Pascal und Rutger Hauer das Geschäft animierten. «Will ich, dass meine Kinder solche Filme schauen?» fragte er sich – und kam sich dabei vor wie ein Drogendealer auf dem Platzspitz.
Als er schliesslich einem Mitarbeiter auf die Schliche kam, der unter dem Ladentisch harte Pornos verkaufte, verwandelte sich Schawinskis Hollywood endgültig in ein Waterloo. «Jedesmal, wenn ich im Seefeld ins Büro ging, hatte ich einen riesigen Klumpen im Magen», entsinnt er sich.
«Ich will subito alles loswerden», überfiel er Martin Hellstern eines Morgens im Februar 1990. Die beiden verhandelten nicht lange. «Was ist schon eine Million?» so Schawinski, «wenn ich einen Tag früher dort wegkomme, ist sie mir das wert.»
«Im Lokalen, wo er alles überblicken und kontrollieren kann, ist er unschlagbar», bilanziert Hellstern. «Roger Schawinski gehört eben doch nach Seldwyla – und nicht nach Hollywood!»
PS: Von Zeit zu Zeit ist der «Nackte Tango» auf RTL 2 oder Pro 7 zu sehen – allerdings in einer stark gekürzten Fassung, mit den schärfsten Sexszenen als Hauptattraktion…
In seinem 18jährigen Sohn Kevin erkennt Schawinski sich selbst als heranwachsenden Rebellen
«Ein falsches Wort, und sie explodieren!»
Der Chef hat das Wochenende nicht zuhause verbracht. Das entgeht keinem Fernsehzuschauer, vorausgesetzt, er schaltet am Sonntagabend Tele 24 ein. Roger Schawinski sei in London gewesen, ist im Sonntalk zu
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