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DER SCHAWINSKI CODE – Die Biografie von Roger Schawinski (German Edition)

DER SCHAWINSKI CODE – Die Biografie von Roger Schawinski (German Edition)

Titel: DER SCHAWINSKI CODE – Die Biografie von Roger Schawinski (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roy Spring
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Kassensturz-Büchlein zur Fernsehsendung – für den Kritiker der Werbe-Woche ein willkommener Anlass, endlich (stellvertretend für die gebeutelte PR- und Reklamebranche) über diesen «Ralph Nader im Sennenkappen-Look» herzuziehen: «Kassensturz-Polemiker Dr. Roger Schawinski vom Schweizer Fernsehen kann es nicht nur visuell-verbal», giftelte er, «ihm steht der Sinn nach Verewigung!»

Keine Anerkennung hatte er übrig für Schawinskis Versprechen im Vorwort, er werde einen Teil des Autorenhonorars an eine gemeinnützige Organisation spenden. Tatsächlich zahlte Schawinski am 20. Februar 1976 – gemäss Empfangsschein – 600 Franken auf das Postscheckkonto der Glückskette Guatemala ein.

Als Chefredaktor der Tat versucht Schawinski, eine Boulevardzeitung ohne Sex an Crime zu etablieren

Rumpelstielzchens Regentanz und die zitternden Gnomen

Der am Bildschirm stets so souverän strahlende «Mister Kassensturz» stand in Wirklichkeit von allen Seiten unter Druck: Einerseits mokierten sich ehemalige Mitarbeiter jetzt auch öffentlich über das autoritäre Auftreten ihres Ex-Chefs; andererseits fühlte sich Schawinski im «Fall Stanley Adams» (der Basler Pharmakonzern Hoffmann-La Roche hatte den Kassensturz wegen eines Berichts über einen indiskreten Prokuristen beim Bundesrat eingeklagt) von der SRG-Spitze nur halbherzig unterstützt.
Auf einmal klingelte sein Telefon. Am Apparat war der neue Migros-Boss Pierre Arnold, den er ein paar Tage zuvor als Interview-Gast für seine geplante Sendung Unter uns gesagt angefragt hatte. Doch Arnold schwebte etwas ganz anderes vor.
«Wollen Sie Chefredaktor der Tat werden?» fragte er ohne Umschweife.
«Aber ich…» stockte Schawinski, «ich habe nur einmal als Volontär während der Semesterferien bei der Neuen Presse gearbeitet. Ich weiss doch kaum, wie man eine Zeitung macht.»
Arnold erklärte, bei der Tat müsse dringend etwas Revolutionäres geschehen. Er habe gehört, Schawinski sei ein frecher und vor allem sehr erfolgsorientierter Typ. Genau der Richtige also für die Zeitung, die 1939 vom legendären Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler (1888–1962) als Kampfblatt ins Leben gerufen wurde, und die unterdessen mit jährlich 6 Millionen Franken Verlust und einer Auflage nicht einmal mehr 30 000 Exemplaren ums Überleben kämpfe. Als Arnold einen Lohn von jährlich 120’000 Franken in Aussicht stellte, fiel Schawinski beinahe der Hörer aus der Hand – beim Kassensturz verdiente er gerade etwa die Hälfte. Trotzdem verlangte er eine Bedenkfrist.

«Okay», pokerte Schawinski ein paar Tage später im Büro des Migros-Managers am Zürcher Limmatplatz, «aber zur Sicherheit will ich einen Dreijahresvertrag.» Ausserdem brauche er völlige redaktionelle Unabhängigkeit.
Der Romand, eine graue Eminenz mit der Ausstrahlung eines Bundesrats, streckte dem schwarzgelockten Draufgänger die Hand entgegen. In seiner Euphorie rief Schawinski: «Monsieur Arnold, ich mache aus Ihnen einen zweiten Duttweiler!»
Dieser Gedanke schien ihm zu behagen. In seinem «Brief an die Genossenschafter» im Brückenbauer prahlte Arnold, die erneuerte Tat werde einschlagen wie «eine wahre Bombe auf dem deutschschweizerischen Zeitungsmarkt». Dank Schawinski sei die Zukunft des Blattes «originell, ansteckend, frisch und angriffig, unterhaltend und amüsant, informativ und hilfreich.» Und farbig. Darum kaufte er in Spreitenbach überstürzt eine neue Druckerei und installierte die modernste Rollenoffsetmaschine – neckisch «Dutticolor» genannt.
Mit einem Inserat («Die Chance des Jahres!») wurden am 17. Oktober 1976 «Journalisten, Redaktoren, Reporter, Pressefotografen und Layouter» gesucht. Innert drei Wochen sichtete Schawinski 200 Bewerbungen; aufgrund der zweifelhaften Prognosen (es hiess, das Experiment werde innert Jahresfrist von der Migros abgeblasen, falls die Auflage 80’000 Exemplare nicht erreiche) meldeten sich vor allem jüngere Journalisten, die trotz bescheidener Löhne beim «heissesten Zeitungsabenteuer des Jahrhunderts» – so Schawinski scherzhaft – dabei sein wollten.
In weniger als einem halben Jahr stampfte das Team eine «gehobene Boulevardzeitung» aus dem Boden, die dem anrüchigen Revolverblatt Blick den Rang ablaufen sollte. Im März 1977 schrien es die Lettern von den Plakatwänden: «Ihr Monopolisten, ihr Profiteure, ihr Spekulanten, ihr Scharlatane, ihr Bauernfänger – ab 4. April werdet ihr auf frischer Tat ertappt!»
Nach vier Wochen

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