DER SCHAWINSKI CODE – Die Biografie von Roger Schawinski (German Edition)
«Sie-Schranken» am Abbröckeln seien.
Schawinski war sofort begeistert. «Tolle Idee, das kann ein Hit werden», antwortete er, «machen Sie ein Konzept!»
«Super, Roger!» rief Heldstab, «ich bin übrigens der Hannes!»
Bald löste die Aktion «Säg doch du» in der ganzen Schweiz ein Riesenecho aus. In Restaurants wurden «Duzis-Drinks» serviert, in Discos feierte man «Duzis-Partys», und das Duo Felix + Felix komponierte einen lüpfigen Duzis-Song («Chum säg doch Du»).
Angenehmer Nebeneffekt für Schawinski: Endlich konnte er seine Freundin auch im Büro duzen – bis anhin hatte er sich nämlich in den Kopf gesetzt, die Affäre mit Rita Schwarzer vom Kulturressort geheim zu halten.
Im Interesse der Zeitung setzte sich Schawinski im Frühling 1978 für die Herausgabe einer Sonntagszeitung ein, der Sonn-Tat. Damit wollte er dem Ringier-Verlag zuvorkommen, der mit dem Blick ähnliche Pläne hegte. Doch statt auf Euphorie stiess er auf den erbitterten Widerstand seiner Mitarbeiter, die fast alle in der «Betriebsgruppe Tat» gewerkschaftlich organisiert waren. Mit einer Unterschriftenaktion sträubten sie sich gegen jeglichen Mehraufwand und warnten vor unseriösen Schnellschüssen mit «Provinz- und Gartenlauben-Niveau».
«Stillstand ist der Tod», warnte Schawinski, doch dann musste er deprimiert einsehen, dass er – «eingequetscht im Sandwich zwischen Redaktion und Migros» – nicht über genügend Macht verfügte, um seine Ideen durchzusetzen. Noch heute ist er überzeugt, dass die Sonn-Tat eine verpasste Riesenchance war. «Die Entwicklung hat mir recht gegeben: Der Sonntagsblick und später die Sonntagszeitung sind ein voller Erfolg geworden.»
Wenigstens standen die Leser voll hinter ihm. «Bitte bleibt weiterhin einig und hart in diesem Kampf gegen diejenigen kleinkariert-profitorientierten Kräfte, die Roger Schawinski und die Tat absägen wollen», schrieb P. Kunz aus Melligen; und für K. Meier aus Buochs kämpfte Schawinski «im Sinne von Gottlieb Duttweiler für eine verbraucherorientierte Wirtschaft gegen die kapitalorientierte Gesellschaft».
Doch mit Bekanntwerden des Millionendefizits stand auf einmal das angestrebte Dutti-Image des umjubelten Starmanagers Pierre Arnold auf dem Spiel. Beunruhigt setzte er eine Kommission ein und stellte das Weiterbestehen der Tat in Frage.
«Schawinskis Tage sind gezählt», titelte ahnungsvoll der Tages Anzeiger. Tags darauf, am 12. Juli 1978, kam es zur Krisensitzung im fünften Stock des berüchtigten «grauen Hauses» am Limmatplatz. Was dabei besprochen wurde, geht aus den handgeschriebenen Notizen von Roger Schawinski hervor:
Arnold: ’ Aprilabschluss katastrophal.
Einnahmen ungenügend!
(…)
Hug: erinnert an die Gründung der TAT
Schawinski hat die TAT auf die Beine gestellt
’ in schwierigen Zeiten
(…)
am 2. Dez. wurden Verbesserungen verlangt:
’ weniger aggressiv
’ mehr seriös
’ mehr Konstanz
gegen Liquidation: Sozialprobleme, moralischer Verlust
Aufgabe wäre ein Verrat an Migros-Idealen und am Personal!
(…)
Weber: ’ Freude am Negativen.
Bewusste einseitige Darstellung von Tatsachen
Überheblichkeit
Kyburz: TAT konsumentenfreundlich?
Abstimmungskarten: 20% nahmen zur TAT Stellung
4% positiv, alle anderen negativ,
katastrophal, vernichtend!
Die Konsumenten wollen die TAT nicht!
Frick: Front gegen Boulevardblatt in den Genossenschafts-Räten
aggressiv – Attacken ’ das wollen die Delegierten nicht!
Arnold: – Redaktion verbessern, Artikel verbessern
Hug: Verhalten der Redaktion überheblich
Arnold: Auswechseln des Chefredaktors!
Schawi: – Ich verlasse meinen Posten ’ ohne Drama
Arnold: ’ nimmt davon Kenntnis!
«Schawinski entlassen!» prangte es zwei Wochen später, am 26. Juli 1978, auf der Titelseite. Wie ein Nachruf klingt Pierre Arnolds «Dank an Roger Schawinski»: «Er hat der Tat durch seine Intelligenz, seinen Wagemut und sein persönliches Profil ein unverwechselbares Gesicht gegeben. In unserer Erinnerung bleibt er als Realisator neuer Ideen lebendig, engagiert, spontan und mutig.»
In seinem sentimentalen Abschiedsbrief bedankt sich Schawinski bei den 230’000 Lesern: «Sie haben mit ihren 50 Rappen dieser Redaktion Tag für Tag Ihr Vertrauen ausgesprochen. Ich bin traurig, dass ich von heute an nicht mehr für sie arbeiten soll.» Wenn auch die Tat für die Öffentlichkeit «bloss ein Experiment» gewesen sei, «für mich war sie eine Lebensaufgabe.»
Zusammen mit
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