Der Scheich
Wegen, um sie loszuwerden. Nun wurde ihr klar, daß sie schon seit Wochen damit rechnete. An diesem Abend fand sie zum erstenmal den Mut, sich die Wahrheit einzugestehen. Alles wies daraufhin - der seltsame Ausdruck in seinen Augen, das Stirnrunzeln.
Stöhnend legte sie einen Arm über ihr Gesicht. Ahmed war ihrer müde. Und ihre ganze Welt stürzte ein. Der Kampfgeist, noch so stark an dem Tag, als Ibraheim Omair sie entführt hatte, starb mit dem Ende aller Hoffnungen. Jetzt besaß sie keinen Mut mehr. Gegen seine Willenskraft vermochte sie nichts auszurichten. Und mit einer Schicksalsergebenheit, die sie in der Wüste gelernt hatte, fügte sie sich ins Unvermeidliche.
In dumpfer Verzweiflung fragte sie sich, was aus ihr werden sollte. Das spielte keine große Rolle. Jetzt, da er sie nicht mehr begehrte, war alles gleichgültig geworden. Ihr früheres Leben lag in weiter Ferne, in einer anderen Welt. Dorthin konnte sie nie mehr zurückkehren. Jene Vergangenheit bedeutete ihr nichts mehr. Hier in der Wüste, in Ahmed Ben Hassans Armen, war sie endlich erwacht. Hier hatte sie erfahren, was das Leben wirklich bedeutete, und hatte unendliches Glück und namenloses Leid kennengelernt.
Leer und bedrohlich erstreckte sich die Zukunft vor ihr. Mit einem Schluchzen verscheuchte sie dieses Bild. Nur ihm galten ihre Gedanken. Wie sollte sie ohne ihn weiterleben? Und warum haßte sie ihn nicht für alles, was er ihr angetan hatte? Nein, nichts konnte ihre Liebe töten. Und sie würde auch nichts bereuen. Die Erinnerung an das flüchtige Glück würde ihr bleiben und den ganzen Inhalt ihres künftigen Lebens bilden. Sie warf ihm nichts vor. In ihrem Leid war kein Raum für Bitterkeit. Seit dem Anfang sah sie das Ende voraus, wenn sie auch dagegen gekämpft und diese Angst immer wieder aus ihrem Herzen verbannt hatte. Niemals hatte er ihr Grund zur Hoffnung gegeben. Und es gab nichts, was sie aneinander gebunden hätte. Wenn sie wenigstens sein Kind unter dem Herzen getragen hätte...
Obwohl sie allein war, trieb ihr dieser Wunsch das Blut in die Wangen. Weinend verbarg sie ihr Gesicht in den Kissen. Ein gemeinsames Kind, ein Junge mit seinen leidenschaftlichen dunklen Augen, dem schwarzen Haar, dem anmutigen Körper, der zu einem starken, furchtlosen Mann heranwachsen und dem Vater gleichen würde. Ja, dann würde Ahmed sie lieben müssen. Sicher würde ihn die Erinnerung an das tragische Schicksal seiner eigenen Mutter bewegen, mit der Mutter seines Sohnes barmherzig zu verfahren.
Doch diese Gnade durfte sie nicht erhoffen. Zitternd lag sie da, sehnte sich qualvoll nach seinen Armen, und heiße Tränen rollten ihr über die Wangen. Nun brach das ganze Elend, das sie seit Wochen unterdrückte, über sie herein. Niemand hörte das Schluchzen, das ihren ganzen Körper erschütterte. Endlich konnte sie die eiserne Selbstbeherrschung lockern, die sie langsam versteinert hatte. All die aufgestauten Gefühle stiegen in ihr empor, verengten ihr die Kehle, umklammerten ihre Stirn wie rotglühende Zangen und fraßen sich in ihr Gehirn.
Das Weinen fiel ihr nicht leicht. Seit jener Nacht, in der sie ihm in ihrer Todesangst flehend zu Füßen niedergesunken war, hatte sie nicht mehr geweint. Auch nicht während der schrecklichen Stunden in Ibraheim Omairs Gewalt oder als Raoul de Saint Hubert um das Leben seines Freundes gerungen hatte. Aber jetzt ließen sich die Tränen, zeit ihres Lebens verachtet, nicht länger zurückhalten. Gepeinigt von widersprüchlichen Gefühlen, von unerwiderter Liebe, Angst und Ungewißheit zermürbt, gab sie sich ihrem Leid hin. Das Gesicht in die Kissen gedrückt, krampfte sie ihre Finger in die Falten der seidenen Decke und weinte, bis sie keine Tränen mehr hatte, bis das Schluchzen verstummte, bis sie erschöpft und reglos dalag.
Dann riß sie sich zusammen. Diese Schwäche mußte besiegt werden. Bei Ahmeds Rückkehr würde sich ihr Schicksal entscheiden - wie auch immer; ihr blieb nichts übrig, als abzuwarten. Sie stieß einen langgezogenen, bebenden Seufzer aus. «Ahmed! Ahmed Ben Hassan!» flüsterte sie und verlieh dem Namen einen traurigen, zärtlichen Klang. Sie vergrub das Gesicht noch tiefer in den Kissen, verschränkte die Hände über dem Kopf und rührte sich nicht mehr.
Die Hitze im Zelt drohte sie zu erdrücken, stickige Luft erfüllte den Raum. Schließlich setzte sich Diana stöhnend auf, strich sich das Haar aus der feuchten Stirn und schlug die Hände über ihr gerötetes Gesicht. In der
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