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Der Scheich

Titel: Der Scheich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Maude Hull
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Scheich verhielt sich ihr gegenüber hochmütig, verachtete und unterdrückte sie, weil sie eine Frau war, und kannte keine Gnade. Für ihn, den herrischen Araber, hatte eine Frau keine Gefühle. Er hatte sie zu seinem Vergnügen entführt, und er hielt sie in seinem Lager fest, um sich zu amüsieren, wann immer er Entspannung suchte.
Vor ihrer Ankunft in Afrika hatte sie sich nur vage Vorstellungen vom Leben eines arabischen Wüstenscheichs gemacht. Der Begriff «Scheich» war offensichtlich sehr dehnbar. In Biskra hatte sie einige Scheichs beobachtet, die hartnäckig feilschten, um magere Kamele und wundgescheuerte Esel für Reisen ins Landesinnere zu vermieten. Auch ihr eigener treuloser Karawanenführer hatte sich «Scheich» genannt. Doch sie hörte auch von anderen Scheichs, die weitab der Städte, jenseits der schimmernden Sandflächen lebten, von mächtigen Stammesfürsten mit großem Gefolge. Diese Männer ähnelten eher den Arabern aus Dianas Träumen. Sie hatte sich ausgemalt, daß diese Scheichs tagelang im Drogenrausch dahindämmerten, oder sinnlichen Genüssen frönten - wenn sie nicht gerade ihre Nachbarn umbrachten. Auf Abbildungen wurden sie meist als dicke alte Männer dargestellt. Im Schneidersitz hockten sie vor ihren Zelten, ließen sich von zahlreichen Untertanen bedienen und sahen gelangweilt zu, wie ein elender Sklave zu Tode geprügelt wurde.
Daß der Mann, der sie entführt hatte, Tag und Nacht beschäftigt sein würde, hatte sie nicht erwartet. Er führte ein hartes, ausgefülltes Leben. Entweder befaßte er sich mit seiner großartigen Pferdezucht oder mit Angelegenheiten seines Stammes, die ihn oft stundenlang vom Lager fernhielten. Ein- oder zweimal war er sogar über Nacht weggeblieben und - gezeichnet von dem anstrengenden Ritt - erst bei Morgengrauen zurückgekehrt.
Hin und wieder durfte sie mit ihm ausreiten. Wenn er keine Zeit oder keine Lust auf ihre Gesellschaft hatte, wurde sie von dem französischen Kammerdiener begleitet. Ein prachtvoller Vollblüter, ein Grauschimmel namens Silberstern, stand ihr zur Verfügung, und auf seinem Rücken gelang es ihr manchmal, Ahmed Ben Hassan zu vergessen. Doch solche erholsamen Augenblicke waren ihr nur selten vergönnt. Abends, wenn Gaston das Zelt verließ und sie mit dem Scheich allein blieb, war es, als legte sich eine eisige Hand um ihr Herz. Je nach seiner Stimmung nahm er Notiz von ihr oder zeigte ihr die kalte Schulter. Er verlangte, daß sie ihm jeden Wunsch von den Augen ablas und forderte ganz selbstverständlich Gehorsam, denn er war ein befehlsgewohnter Mann. Despotisch bestrafte er unbotmäßige Stammesmitglieder, und die Leute liebten und fürchteten ihn gleichermaßen. Sogar seinen Leutnant Yusef, hatte Diana vor Hassans Stirnrunzeln zurückschrecken sehen, das auch ihr angst machte.
«Warum behandeln Sie Ihre Männer wie Hunde?» fragte sie ihn. «Befürchten Sie nicht, sie könnten sich eines Tages gegen Sie erheben und Sie töten?»
Statt zu antworten, zuckte er nur die Achseln und brach in jenes leise Gelächter aus, das ihr jedesmal einen Schauer über den Rücken jagte.
Offenbar war Gaston der einzige, dessen treue Ergebenheit nicht von widersprüchlichen Gefühlen beeinträchtigt wurde.
Was Diana am empfindlichsten störte, war der orientalische Egoismus des Scheichs, sein Desinteresse an allem, was nicht in den Bereich seiner eigenen Wünsche fiel. Auch ihr ständiges Bitten und ihre Schmähungen nahm er gleichgültig zur Kenntnis. Ihre regelmäßigen Wutanfälle beeindruckten ihn nicht. Entweder achtete er nicht auf ihr Geschrei, oder er beobachtete sie mit kühler Neugier, die Lippen zu einem grausamen Lächeln verzogen. Ihr Zorn amüsierte ihn, bis er schließlich die Geduld verlor. Dann packte er sie mit jenem blitzschnellen Griff, dem sie niemals ausweichen konnte, und starrte sie an. Unter dem Druck seiner schmalen gebräunten Finger und seinem durchdringenden Blick senkte sie die Lider, und die heftigen Worte erstarben ihr auf den Lippen.
Ihr bangte vor seiner körperlichen Überlegenheit. Sie haßte ihn und verabscheute sich selbst, weil er diese entsetzliche Angst in ihr weckte. Und diese Furcht war durchaus berechtigt, denn er besaß ungeheure Kräfte. Zudem gaben ihm seine Unabhängigkeit vom Gesetz und seine uneingeschränkte Herrschaft die Macht, sich jeden Wunsch ohne Skrupel zu erfüllen. Er war der Herr über Leben und Tod.
Ein paar Tage nach ihrer Entführung hatte sie ihn einen Diener züchtigen sehen.

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