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Der Scheich

Titel: Der Scheich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Maude Hull
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nicht. Ärgerlich runzelte Ahmed Ben Hassan die Stirn und nickte dem Diener zu, der das Zelt verließ.
Wenige Minuten später erklang eine Stimme, die sie noch nie gehört hatte. Sie hob den Kopf. Der junge Araber, der nachmittags mit dem Scheich ausgeritten war, stand neben dem Diwan. Die dunklen Augen, die Diana schon den ganzen Abend beobachteten, fixierten sie wieder, eine Zigarette deutete auf den Neuankömmling. «Mein Leutnant Yusef, ein Wüstensohn mit der Seele eines Flaneurs. Nur sein Körper weilt bei mir, sein Herz wandert übers Trottoir von Algier.»
Lachend verneigte sich der große junge Mann, dann straffte er den Rücken und nahm eine dramatische Pose ein, bis der Scheich ihn mit einem knappen Wort an seine Pflichten erinnerte. Sofort senkte er ehrerbietig den Kopf, was Diana nicht entging. Mochte Ahmed Ben Hassan auch mit seinen Leuten scherzen - seine Autorität blieb unangefochten. Aufmerksam betrachtete sie den jungen Mann, der vor dem Scheich stand. Er war hochgewachsen und schlank wie ein Mädchen. Vermutlich hatte er seine träge, lässige Attitüde einstudiert, denn während er sprach, fiel er zusehends aus dieser Rolle. Nur das markante Kinn rettete sein Gesicht davor, weibisch zu wirken. Offensichtlich wußte er, wie gut er aussah. Aber ebenso deutlich ließ er die Ehrfurcht vor seinem Herrn erkennen, dem er allem Anschein nach keine gute Nachricht überbrachte.
Durch ihre dichten Wimpern beobachtete Diana die Männer. Mit lebhaften Gesten begleitete der jüngere seinen Redeschwall, und manchmal katzbuckelte er beinahe. Der Scheich schwieg, warf nur gelegentlich ein Wort ein, und seine Stirnfalten vertieften sich mit jeder Sekunde. Schließlich zuckte er ungeduldig die Achseln. Er stand auf, und dann verließen die beiden, gefolgt von dem Hund, das Zelt.
Diana setzte sich auf den weichen Teppich neben dem Bücherregal. Endlich würde sie für eine Weile allein bleiben, befreit von den wachsamen Blicken, die sie unentwegt zu durchbohren schienen, befreit von der verhaßten Nähe des Scheichs. Sie legte stöhnend ihren Kopf auf die Knie. Jetzt mußte sie ihre Verzweiflung nicht mehr verbergen. Wie müde sie sich fühlte. Sie war geistig und körperlich erschöpft von den Gefühlen, die einer bitteren Erkenntnis gefolgt waren: Was immer die Zukunft bringen mochte, die Diana von gestern existierte nicht mehr. Und ihr neues Ich kam ihr so seltsam und fremd vor. Sie mißtraute ihm und hielt es nicht für fähig, den Kampf fortzusetzen, für den sie sich entschieden hatte. Ihr altes mutiges Ich hatte sie niemals im Stich gelassen. Aber diese neue, ängstliche Persönlichkeit erfüllte sie mit Argwohn. Ihr Selbstbewußtsein war wie weggeblasen, und sie verachtete sich selbst. Um diese schreckliche Furcht zu bezähmen, fehlte ihr die Kraft. Hoffentlich würde es ihr gelingen, sie zu verheimlichen und dem Scheich wenigstens diese Genugtuung zu versagen.
Einmal hatte sie ihm flehend zu Füßen gelegen und war ausgelacht worden. Lieber wollte sie sterben, ehe sie ihn ein zweites Mal mit einem solchen Spektakel amüsierte. Allerdings konnte sie nichts dagegen tun, daß er sich an ihre Feigheit erinnern würde. Immer würde er daran denken, genauso wie sie. Doch sie wollte diesen schmachvollen Eindruck wettmachen - sofern ihre Kraft ausreichte. Darum betete sie inbrünstig, bis sich ihrer Kehle ein Schluchzen entrang und ihre Hände krampfhaft die Knie umklammerten. Seufzend strich sie sich das Haar aus der Stirn und spähte über ihre Schulter in den leeren Raum. Seit dem Morgen hatte er sich auf merkwürdige Weise verändert, so wie ein unbekannter Raum eine andere Atmosphäre annimmt, nachdem man einige Stunden darin verbracht hat. Wenn sie ihn jetzt auf Nimmerwiedersehen hätte verlassen können, sie hätte sich trotzdem jede Einzelheit eingeprägt. Alles hatte sich in ihr Gedächtnis eingegraben, so als wären seit ihrer Ankunft nicht nur Stunden, sondern Jahre verstrichen.
Auch der vergangene Tag lag schon Jahre zurück - der Tag, an dem die arme, dumme Diana Mayo blindlings in eine Falle geritten war. Davor hatte sie ihre hochgelobte Unabhängigkeit nicht gerettet. Und jetzt bezahlte sie für ihren Entschluß, die Grenzen ihres Geschlechts zu mißachten. Ihr ermatteter Körper würde dem Kampf nicht gewachsen sein, der ihr noch bevorstand. Wenn der Scheich sie doch verschonen würde, bis sie diese lähmende Müdigkeit abgeschüttelt hatte ...
Plötzlich hörte sie seine Stimme an der Tür, und

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