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Der Scheich

Titel: Der Scheich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Maude Hull
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bestens informiert. Unter anderen Umständen hätte sie begeistert zugehört. Aber die leise, kultivierte Stimme schien noch zur Absurdität ihrer Lage beizutragen. Sie konnte es kaum ertragen, daß sie so tun mußte, als wäre sie freiwillig hier. Und der Zwang, sitzen zu bleiben und ihm freundlich zu antworten, war beinahe zuviel für sie. Die ganze Zeit über spürte sie, wie aufmerksam er sie beobachtete. Wann immer sie einen verstohlenen Blick über den Tisch warf, begegnete sie den feurigen dunklen Augen, die sie unentwegt musterten. Mit dieser Taktik stellte er ihre Nerven auf eine harte Probe.
Die Szene erinnerte sie an eine Zirkusvorstellung in Wien, wo eine kühne Löwenbändigerin, umringt von fauchenden Bestien, im Käfig gespeist hatte. Die Tiere unterschieden sich sehr von den schläfrigen, mit Drogen betäubten Kreaturen, die man bei solchen Spektakeln normalerweise zu sehen bekam. Von den Tieren fasziniert, war sie nach der Darbietung mit Aubrey hinter die Arena gegangen. Während sie ein Löwenjunges streichelte, sprach sie mit der Dompteuse, die kaum älter war als sie selbst. Zunächst mißtrauisch, erkannte die junge Frau schon bald, daß Dianas Fragen keiner Sensationslust, sondern echtem Interesse entsprangen. Sie nahm die angebotene Zigarette an und führte sie zu den kleinen Käfigen, wo ihre dressierten Löwen die Nacht verbrachten. Immer noch unruhig von der Vorstellung, wanderten die Raubkatzen rastlos umher.
Diana schaute ihnen zu, rieb ihre Wange am weichen Fell des winzigen Löwen, den sie im Arm hielt, und lächelte über sein wohliges Schnurren. «Fürchten Sie sich niemals», fragte sie unvermittelt, «wenn Sie Ihre Mahlzeit verspeisen, ganz allein mit diesen gefährlichen Tieren?»
Gleichmütig zuckte die Dompteuse mit den Achseln und blies eine Rauchwolke ins Gesicht des kleinen Löwen. Über dem Löwenkopf begegnete sie Dianas Blick. «Nun ja, man merkt kaum, was man ißt», hatte sie trocken bemerkt.
Jetzt erging es Diana genauso. Mechanisch verspeiste sie alles, was man ihr vorsetzte, aber sie nahm den Geschmack der diversen Gerichte nicht wahr. Sie kannte nur einen einzigen Gedanken - wie sollte sie diesen Augen entrinnen, die sie unablässig beobachteten, und der ständig wachsenden Angst? Trotzdem war ihr etwas aufgefallen: Der Diener schenkte nur ihr einen leichten französischen Wein ein, das Glas des Scheichs blieb leer.
Als er feststellte, daß sie es verwundert anstarrte, lächelte er ihr zu. «Verzeih mir. Ich trinke keinen Wein. Das ist meine einzige Tugend», fügte er hinzu. Sein glühender Blick trieb ihr das Blut in die Wangen, und sie schaute hastig auf ihren Teller. Natürlich - sie hatte vergessen, daß er Moslem war.
Das Dinner schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, und doch wünschte sie, es würde niemals enden. Solange der Diener im Zelt blieb, fühlte sie sich sicher. Aber irgendwann würde er verschwinden, und diese Gewißheit ließ Diana erschaudern. Als der Kaffee serviert wurde, stürmte ein großer persischer Hund herein und warf den Franzosen beinahe um. Unter schrillem Freudengeheul plazierte er seinen langen grauen Körper auf den Knien des Scheichs. Dann wandte er sich zu Diana um und knurrte sie an. Allerdings verstummte er bald, sprang zu Boden und trottete neugierig zu ihr. Eine Zeitlang musterte er ihr Gesicht, bevor er den großen Kopf in ihren Schoß legte.
«Jetzt solltest du dich geehrt fühlen», meinte Ahmed Ben Hassan lachend. «Nur wenige Menschen dürfen sich so glücklich schätzen, Kopecs Freundschaft zu gewinnen.»
Da sie fürchtete, ihre Antwort würde eine unwillkommene Bemerkung auslösen, schwieg sie und streichelte das rauhe Hundefell. Das Herz wurde ihr schwer, als sie so langsam wie möglich ihren Kaffee trank. Schließlich gab es keinen Grund mehr, am Tisch sitzen zu bleiben. Seufzend erhob sie sich.
Auch der Scheich hatte kein Wort mehr gesagt. Seine Tasse war längst leer. Als sie aufstand, ging er, gefolgt von seinem Hund, zum Diwan.
Diana wandte sich zu dem kleinen Bücherregal, suchte nach einem Vorwand, um das Schweigen auszudehnen, und nahm aufs Geratewohl einen schmalen Band heraus. Was sie in der Hand hielt, wußte sie nicht, und es interessierte sie auch gar nicht. Inständig hoffte sie, der Scheich würde sie in Ruhe lassen und kein neues Gespräch beginnen.
Neben ihr räumte Gaston den Tisch ab, dann redete er seinen Herrn an. Diana hörte nur die Worte « le petit Scheich », den arabischen Rest verstand sie

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