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Der Scheich

Titel: Der Scheich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Maude Hull
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Lippen, als er sie betrachtet hatte, in jenen letzten Sekunden ... Und ihre eigene Angst - nicht vor dem drohenden Tod, sondern davor, daß er ihr verwehrt bleiben würde. Dann der Kugelhagel, noch ehe der treue Franzose eine Gelegenheit gefunden hatte, ihr den größten aller Liebesdienste zu erweisen, die Blutflecken auf seinem Leinenjackett, sein Zusammenbruch zu ihren Füßen. Nur undeutlich sah sie die Gestalten vor sich, die sie überfallen hatten. Danach war ihr schwarz vor Augen geworden.
Ihre Lider schienen bleischwer, so daß sie nicht in der Lage war, sie zu heben. «Oh, Gaston», flüsterte sie und streckte eine Hand aus. Aber statt seinen Körper oder heißen, trockenen Sand zu ertasten, berührten ihre Finger weiche Kissen.
Bestürzt setzte sie sich auf, die Augen weit geöffnet. Doch sie sank sofort ermattet wieder zurück und legte ihren Arm übers Gesicht, um sich vor dem Licht zu schützen, das ihre pochenden Augäpfel durchbohrte wie tausend Dolche. Eine Zeitlang lag sie reglos da, bekämpfte die Schwäche, die sie erneut zu überwältigen drohte. Allmählich ließ die Übelkeit nach, die Kopfschmerzen verebbten zu einem dumpfen Dröhnen. Über dem Wunsch, endlich herauszufinden, wo sie sich befand und was geschehen war, vergaß sie ihren gepeinigten Körper.
Sie zog ihren Arm ein wenig von den Lidern, spähte vorsichtig durch ihre dichten Wimpern. Offenbar lag sie auf mehreren Kissen in der Ecke eines kleinen Zelts, das bis auf einen Teppich unmöbliert war. Am anderen Ende des Raums kauerte eine Araberin über einer Kohlenpfanne. Kaffeeduft erfüllte die Luft.
Schaudernd schloß Diana die Augen. Der Rettungsversuch des Dieners war erfolglos gewesen. Zweifellos war sie ins Lager des Räuberscheichs Ibraheim Omair gebracht worden. Sie verkroch sich noch tiefer zwischen den Kissen und biß in den Ärmel ihres Reitjacketts, um ein Stöhnen zu unterdrücken. Als sie an Gaston dachte, bekam sie einen Kloß im Hals. In jenen letzten Momenten hatte die gemeinsam durchlittene Gefahr sämtliche Standesunterschiede verwischt. Ein weißer Mann und eine weiße Frau im Angesicht des Todes ...
Jetzt fiel ihr wieder ein, wie sie sich an ihn gepreßt, wie er ihre Hand gedrückt hatte, um ihr Mut zu machen und sein Mitgefühl zu zeigen. Weil er nichts anderes tun konnte, hatte er sie mit seinem Körper geschützt. Und während er leblos dalag, mußten die Feinde sie ergriffen haben. Er hatte unverbrüchliche Treue bewiesen und sein Leben für das Spielzeug seines Herrn geopfert.
Ja, wahrscheinlich war Gaston tot. Aber sie lebte, und nun mußte sie ihre ganze Kraft aufbieten, um sich zu retten. Sie bezwang die lähmenden Gefühle und das Zittern ihrer Glieder, richtete sich langsam auf und musterte die Araberin, die das Rascheln der Kissen hörte und sich zu ihr umwandte. Sofort erkannte Diana, daß sie weder Hilfe noch Mitleid von ihr erwarten durfte. In ihrer Jugend war diese Frau gewiß schön gewesen, und sie wirkte immer noch anziehend. Aber die verstockte Miene und der finstere Blick machten alle Hoffnung auf Milde zunichte.
Diana spürte auf Anhieb, daß die Araberin sie haßte. Nur notgedrungen schien sie sich mit der Anwesenheit der weißen Gefangenen abzufinden.
Und diese Erkenntnis verlieh Diana den Mut, den sie so dringend brauchte. Hochmütig erwiderte sie den kalten Blick. Letztes Jahr hatte sie in Indien festgestellt, welche Macht ihr Selbstbewußtsein auf die Einheimischen ausübte. Und hier mußte sie nur eine einzige Araberin einschüchtern. Mit einem unverständlichen Gemurmel beugte sich die Frau wieder über den Kaffeekessel.
Dianas Muskeln entspannten sich, und sie sank in die Kissen. Nachdem sie diesen Machtkampf gewonnen hatte, kehrte ihr Selbstvertrauen zurück. Als sie sich über die Jacke strich, fühlte sie klebriges Blut an ihrem Ärmel. Entsetzt riß sie sich das Kleidungsstück vom Leib, schleuderte es beiseite und wischte die roten Flecken von ihrer Hand.
Im kleinen Zelt war es heiß und stickig, und sie bemerkte einen starken, stechenden, für die Eingeborenen offenbar typischen Geruch, den sie in Ahmed Ben Hassans kühlem, luftigem, peinlich sauberem Zelt niemals wahrgenommen hatte. Angewidert verzog sie die Lippen, ihre feine Nase rebellierte. Die Hitze verstärkte den brennenden Durst, der ihr die Kehle austrocknete. Ganz vorsichtig, um keine neuen Schmerzen zu verursachen, erhob sie sich. Aber die Nachwirkungen des Schlags, der sie niedergestreckt hatte, verflogen zusehends,

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